Veröffentlicht am Mai 11, 2024

Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung als „Lifestyle-Medikament“ ist die „Abnehmspritze“ für Herzpatienten primär eine kardiologische Schutztherapie.

  • Reduziert das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall um 20 %, teils unabhängig vom reinen Gewichtsverlust.
  • Wirkt direkt entzündungshemmend im Körper und verbessert die Funktion der Blutgefäße.

Empfehlung: Eine engmaschige ärztliche Begleitung ist entscheidend, um den therapiebedingten Muskelverlust zu steuern und den vollen Herzschutz zu gewährleisten.

Als Herzpatient mit starkem Übergewicht haben Sie wahrscheinlich von den neuen „Abnehmspritzen“ wie Wegovy gehört. Die Berichte über beeindruckende Gewichtsverluste dominieren die Medien und wecken Hoffnung. Doch die Diskussion dreht sich meist um Ästhetik, Nebenwirkungen und die hohen Kosten, die von den gesetzlichen Krankenkassen in der Regel nicht übernommen werden. Diese oberflächliche Betrachtung wird der medizinischen Bedeutung dieser Medikamentenklasse für Ihre Gesundheit jedoch nicht gerecht. Es ist an der Zeit, den Fokus zu verschieben.

Die entscheidende Frage ist nicht: „Wie viel Gewicht kann ich verlieren?“, sondern „Wie kann dieses Medikament mein Herz schützen?“. Aus endokrinologischer Sicht handelt es sich hierbei nicht um ein Lifestyle-Produkt, sondern um eine tiefgreifende kardiometabolische Therapie. Der wahre Wert von GLP-1-Rezeptoragonisten liegt in ihrer Fähigkeit, die zugrunde liegenden Ursachen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu bekämpfen: chronische Entzündungen, die vom Bauchfett ausgehen. Dieser Artikel beleuchtet die „Abnehmspritze“ aus einem neuen Blickwinkel – als eine ernstzunehmende Option zum Schutz Ihres Herzens.

Wir werden die wissenschaftlichen Beweise für die kardioprotektive Wirkung analysieren, die komplexe rechtliche Situation der Kostenerstattung in Deutschland klären und Ihnen praktische Strategien an die Hand geben, wie Sie die Risiken der Therapie, insbesondere den Muskelabbau, minimieren und die häufigsten Nebenwirkungen bewältigen können. Ziel ist es, Ihnen eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu bieten, die über den reinen Gewichtsverlust hinausgeht.

Dieser Leitfaden bietet Ihnen einen strukturierten Überblick über alle wichtigen Aspekte der Therapie mit GLP-1-Agonisten für Herzpatienten. Das folgende Inhaltsverzeichnis hilft Ihnen, direkt zu den für Sie relevantesten Themen zu navigieren.

20% weniger Herzinfarkte: Warum Abnehmspritzen mehr sind als nur Kosmetik

Die öffentliche Diskussion über Semaglutid (Wegovy) reduziert das Medikament oft auf seine gewichtsreduzierende Wirkung. Für Sie als Herzpatient ist jedoch eine andere Zahl von weitaus größerer Bedeutung: die Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse um 20 Prozent. Dies ist das zentrale Ergebnis der wegweisenden SELECT-Studie. Diese Studie hat gezeigt, dass die Vorteile weit über die Waage hinausgehen und direkt Ihre Herzgesundheit betreffen.

Prof. Alexander Bartelt, ein Experte für kardiovaskulären Stoffwechsel, fasst die Ergebnisse prägnant zusammen:

Die Behandlung von übergewichtigen Patienten ohne Diabetes mit Herz-Kreislauf-Vorerkrankungen mit Semaglutid für circa drei Jahre hat dazu geführt, dass die Patienten etwa 15 Prozent ihres Gewichts verloren haben und circa 20 Prozent weniger Schlaganfälle und Herzinfarkte erlitten – und das, ohne dass schwere Nebenwirkungen auftraten.

– Prof. Alexander Bartelt, Leiter der Forschungsgruppe für Kardiovaskulären Stoffwechsel, LMU München

Studien-Einblick: Wirkung unabhängig vom Gewichtsverlust nachgewiesen

Eine entscheidende Erkenntnis aus der SELECT-Interimsanalyse war, dass die kardiovaskuläre Risikoreduktion von 20% durch Semaglutid nicht allein durch die Abnahme von Körpergewicht erklärt werden kann. Selbst Studienteilnehmer, die weniger als 5 % ihres Gewichts verloren, zeigten eine vergleichbare Reduktion schwerwiegender kardiovaskulärer Ereignisse (MACE). Dies deutet stark darauf hin, dass Semaglutid alternative Wirkmechanismen besitzt, die direkt das Herz-Kreislauf-System schützen, wie zum Beispiel die Reduzierung von Entzündungen.

Diese Erkenntnis ist fundamental. Sie positioniert GLP-1-Agonisten neu: weg von einem reinen Adipositas-Medikament hin zu einer echten kardioprotektiven Therapie. Der Effekt ist nicht nur ein passiver Nebeneffekt des Gewichtsverlusts, sondern ein aktiver Schutz für Ihr Herz und Ihre Gefäße. Die Reduktion von viszeralem Fett und die damit einhergehende Verringerung systemischer Entzündungen spielen dabei eine zentrale Rolle, die wir später noch genauer betrachten werden.

Zahlt die Kasse endlich? Die aktuelle Rechtslage für Herzpatienten mit Adipositas

Die wichtigste Frage für die meisten Betroffenen in Deutschland ist die der Kostenübernahme. Trotz der nachgewiesenen positiven Effekte auf die Herzgesundheit ist die Situation ernüchternd. Aktuell werden Medikamente zur Gewichtsreduktion, sogenannte Anorektika, von den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) grundsätzlich nicht erstattet. Dies ist in § 34 Absatz 1 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) geregelt, der Arzneimittel zur „Regulierung des Körpergewichts“ von der Versorgung ausschließt.

Apothekerin erklärt Wegovy-Kosten und Privatrezept an der Apothekentheke

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat Wegovy im März 2024 offiziell als sogenanntes „Lifestyle-Arzneimittel“ eingestuft und damit die Erstattung durch die GKV blockiert. Diese Entscheidung wurde selbst durch Gerichtsurteile, wie das des Sozialgerichts Mainz im Juni 2024 (Az. S7 KR 76/24), bestätigt. Für gesetzlich Versicherte bedeutet das: Die Therapie muss vollständig aus eigener Tasche bezahlt werden, was bei Kosten von ca. 300 Euro pro Monat für Selbstzahler in Deutschland eine erhebliche finanzielle Belastung darstellt.

Für privat Versicherte (PKV) stellt sich die Lage etwas anders dar. Hier hängt die Kostenübernahme vom individuell abgeschlossenen Tarif ab. Einige Tarife schließen „Lifestyle-Medikamente“ ebenfalls aus, während andere eine Erstattung bei klarer medizinischer Indikation, wie einer bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankung, ermöglichen könnten. Eine individuelle Anfrage bei der eigenen PKV unter Vorlage eines ärztlichen Attestes ist hier unumgänglich. Obwohl die medizinische Notwendigkeit offensichtlich ist, bleibt der Weg zur Kostenübernahme steinig und ist derzeit für die Mehrheit der Patienten nicht gegeben.

Vorsicht Sarkopenie: Wie verhindern Sie, dass das Herz schwächer wird, wenn das Fett schmilzt?

Ein schneller und signifikanter Gewichtsverlust, wie er unter Semaglutid-Therapie auftritt, ist ein zweischneidiges Schwert. Während der Abbau von schädlichem Bauchfett Ihr Herz entlastet, besteht gleichzeitig die Gefahr, wertvolle Muskelmasse zu verlieren. Dieses Phänomen, bekannt als Sarkopenie, ist für Herzpatienten besonders kritisch, da auch der Herzmuskel selbst betroffen sein kann. Eine Schwächung des Herzmuskels würde die positiven Effekte der Therapie untergraben.

Prof. Andreas Birkenfeld vom Universitätsklinikum Tübingen warnt eindringlich vor diesem Risiko:

Bei der schnellen Gewichtsabnahme durch Semaglutid geht nicht nur Fett, sondern auch Muskelmasse verloren. Dies kann besonders bei Herzpatienten problematisch werden, da die Herzmuskulatur ebenfalls betroffen sein kann. Eine begleitende Bewegungstherapie und proteinreiche Ernährung sind essentiell.

– Prof. Andreas Birkenfeld, Universitätsklinikum Tübingen

Der Schlüssel zur erfolgreichen Therapie liegt daher in einem proaktiven Management zum Erhalt Ihrer Muskelmasse. Es geht nicht nur darum, die Spritze zu setzen, sondern ein ganzheitliches therapeutisches Konzept zu verfolgen. Dies erfordert eine bewusste Anpassung Ihrer Ernährung und Ihres Bewegungsverhaltens. Ziel ist es, den Körper gezielt zu signalisieren, Fett abzubauen, während die Muskulatur geschützt und idealerweise sogar gestärkt wird. Dies ist kein passiver Prozess, sondern erfordert Ihre aktive Mitarbeit und eine engmaschige ärztliche Begleitung.

Ihr Plan zur Überprüfung der Muskelschutz-Strategie

  1. Kontaktpunkte identifizieren: Analysieren Sie, wo Muskelabbau am ehesten stattfindet. Überprüfen Sie Ihre tägliche Proteinzufuhr (Frühstück, Mittag-, Abendessen), Ihre Alltagsbewegung und Ihr geplantes Training.
  2. Bestehendes inventarisieren: Führen Sie für eine Woche ein Ernährungs- und Bewegungstagebuch. Notieren Sie konkret, wie viel Gramm Protein Sie zu sich nehmen und welche Kraftübungen Sie durchführen.
  3. Kohärenz prüfen: Vergleichen Sie Ihre Ist-Werte mit den Zielen: Nehmen Sie die empfohlenen 1,2-1,5g Protein pro kg Körpergewicht zu sich? Absolvieren Sie 2-3 Mal pro Woche Krafttraining, das an Ihre kardiologische Belastbarkeit angepasst ist?
  4. Nachhaltigkeit bewerten: Ist Ihr aktueller Plan eine kurzfristige Qual oder eine langfristig umsetzbare Routine? Identifizieren Sie, welche Maßnahmen Ihnen leichtfallen und welche Sie als Belastung empfinden.
  5. Integrationsplan erstellen: Schließen Sie die Lücken gezielt. Priorisieren Sie die einfachsten Änderungen: einen zusätzlichen Proteinshake nach dem Training, den Austausch einer kohlenhydratreichen Mahlzeit oder die feste Einplanung von zwei Trainingseinheiten pro Woche.

Übelkeit und Durchfall: Wie überstehen Sie die ersten Wochen der Therapie?

Die häufigsten Gründe für einen Therapieabbruch sind gastrointestinale Nebenwirkungen wie Übelkeit, Völlegefühl, Verstopfung oder Durchfall. Diese treten vor allem in der Anfangsphase auf, während die Dosis schrittweise erhöht wird. Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Reaktionen zwar unangeneam, aber meist vorübergehend und managebar sind. Die Abbruchrate aufgrund unerwünschter Ereignisse in der SELECT-Studie lag bei 16,6 % im Semaglutid-Arm gegenüber 8,9 % bei Placebo. Das bedeutet, dass die überwiegende Mehrheit der Patienten die Therapie fortsetzen kann.

Nahaufnahme der Wegovy-Pen Selbstinjektion mit korrekter Handhabung

Das Geheimnis, um die ersten Wochen gut zu überstehen, liegt in der langsamen Dosissteigerung und einigen einfachen Anpassungen im Alltag. Der Körper benötigt Zeit, um sich an die Wirkung von Semaglutid zu gewöhnen, das unter anderem die Magenentleerung verlangsamt. Geduld und eine proaktive Strategie zur Linderung der Symptome sind entscheidend für den langfristigen Erfolg.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über das typische Dosierungsschema und bewährte Tipps zum Management der Nebenwirkungen in den jeweiligen Phasen.

Dosierungsschema und Management von Nebenwirkungen
Monat Dosis (mg) Häufigste Nebenwirkungen Management-Tipps
1. Monat 0,25 Leichte Übelkeit Kleine, häufigere Mahlzeiten; langsam essen
2. Monat 0,5 Übelkeit kann sich verstärken Ingwertee trinken, fettarme Kost bevorzugen
3. Monat 1,0 Durchfall möglich Auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten, ggf. Elektrolyte
4. Monat 1,7 Stabilisierung der Symptome Etablierte Routinen beibehalten
Ab 5. Monat 2,4 (Erhaltungsdosis) Meist gut verträglich Rückkehr zu einer normalen, ausgewogenen Kost möglich

Denken Sie daran: Diese Nebenwirkungen sind ein Zeichen, dass das Medikament wirkt. Mit den richtigen Strategien können Sie diese Phase gut bewältigen und den Weg für die positiven kardiovaskulären Effekte ebnen.

Wie entzündungsfördernde Botenstoffe aus dem Bauchfett das Herz angreifen

Um den wahren Wert von Semaglutid für Herzpatienten zu verstehen, müssen wir tiefer blicken – auf die zelluläre Ebene. Starkes Übergewicht, insbesondere das viszerale Bauchfett, ist weit mehr als ein ästhetisches Problem. Es ist eine aktive „Drüse“, die kontinuierlich entzündungsfördernde Botenstoffe, sogenannte Zytokine, in den Blutkreislauf abgibt. Diese führen zu einer chronischen, niedriggradigen systemischen Entzündung im gesamten Körper.

Diese ständige Entzündung ist pures Gift für Ihre Blutgefäße. Sie schädigt die empfindliche Innenschicht der Arterien, das Endothel, und führt zur sogenannten endothelialen Dysfunktion. Eine gestörte Endothelfunktion ist einer der ersten Schritte im Prozess der Atherosklerose (Arterienverkalkung), die wiederum die Hauptursache für Herzinfarkte und Schlaganfälle ist. Das Bauchfett greift Ihr Herz also nicht direkt an, sondern über einen heimtückischen, permanenten Entzündungsangriff.

Genau hier setzt einer der wichtigsten kardioprotektiven Mechanismen von GLP-1-Agonisten an. Studien haben gezeigt, dass Semaglutid nicht nur das Fettgewebe reduziert, sondern auch direkt entzündungshemmend wirkt. Ein wichtiger Marker für systemische Entzündungen ist das C-reaktive Protein (CRP). In Studien zur Herzinsuffizienz konnte nachgewiesen werden, dass unter Semaglutid der CRP-Spiegel um beeindruckende 43,5 % sank. Diese Reduktion der Entzündungslast entlastet die Blutgefäße direkt und trägt maßgeblich zur Senkung des kardiovaskulären Risikos bei – ein Effekt, der, wie bereits erwähnt, über den reinen Gewichtsverlust hinausgeht.

Die Therapie zielt also auf den Kern des Problems ab: Sie bekämpft die vom Fettgewebe ausgehende Entzündung und schützt so aktiv die Integrität Ihres Gefäßsystems. Dies ist der entscheidende Unterschied zu einer reinen Diät.

SGLT2-Hemmer: Warum hilft ein Diabetes-Mittel plötzlich dem Herzen?

In der modernen Kardiologie haben sich neben den GLP-1-Agonisten (wie Wegovy) auch andere ursprünglich für Diabetes entwickelte Medikamente als äußerst wirksame Herzschutz-Therapien erwiesen. Die wichtigste Gruppe sind hier die SGLT2-Hemmer (z.B. Empagliflozin/Jardiance, Dapagliflozin/Forxiga). Für Sie als Patient ist es wichtig, die Unterschiede und jeweiligen Stärken dieser beiden Medikamentenklassen zu verstehen, da sie oft in Kombination oder als Alternativen diskutiert werden.

SGLT2-Hemmer wirken, indem sie die Rückresorption von Zucker in der Niere blockieren, sodass vermehrt Glukose über den Urin ausgeschieden wird. Dieser Mechanismus führt zu einer leichten Blutzuckersenkung, aber vor allem zu einer deutlichen diuretischen (entwässernden) Wirkung. Dies entlastet das Herz-Kreislauf-System erheblich und hat sich als extrem wirksam in der Behandlung der Herzinsuffizienz (Herzschwäche) erwiesen.

Der entscheidende Unterschied für Sie: Während Wegovy aufgrund der Einstufung als „Lifestyle-Medikament“ bei Adipositas ohne Diabetes nicht von der GKV erstattet wird, ist die Kostenübernahme für SGLT2-Hemmer bei nachgewiesener Herzinsuffizienz – auch ohne Diabetes – mittlerweile Standard und gesetzlich verankert. Dies macht sie zu einer finanziell zugänglichen und medizinisch hochwirksamen Option. Die folgende Tabelle stellt die beiden Substanzklassen gegenüber:

GLP-1-Agonisten vs. SGLT2-Hemmer für Herzpatienten
Kriterium Wegovy (Semaglutid) Jardiance (Empagliflozin)
Gewichtsabnahme Sehr stark (15-20%) Gering (2-3%)
Primärer Wirkort Darm/Gehirn (Appetit, Entzündung) Niere (Zuckerausscheidung, Entwässerung)
Kardiovaskuläre Risikoreduktion 20% (Atherosklerose-getrieben) 14% (Herzinsuffizienz-getrieben)
Erstattung bei Herzinsuffizienz (ohne Diabetes) Nein Ja
Monatliche Kosten (Selbstzahler) ca. 300 € ca. 50 € (aber erstattungsfähig)

Die Wahl zwischen diesen Therapieoptionen ist keine „Entweder-oder“-Entscheidung. Oftmals ist eine Kombinationstherapie sinnvoll. Steht jedoch die massive Gewichtsreduktion und die Bekämpfung der Adipositas-assoziierten Entzündung im Vordergrund, sind GLP-1-Agonisten überlegen. Steht die Behandlung einer manifesten Herzschwäche im Fokus, sind SGLT2-Hemmer die erste Wahl und werden zudem von der Kasse bezahlt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Mehr als Gewichtsverlust: GLP-1-Agonisten wie Wegovy senken das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall um 20 % durch direkte entzündungshemmende Effekte.
  • Keine Kassenleistung: Trotz nachgewiesenem Herzschutz stuft das deutsche Gesetz Wegovy als „Lifestyle-Medikament“ ein, eine Erstattung durch die GKV ist aktuell ausgeschlossen.
  • Muskelschutz ist Pflicht: Eine erfolgreiche Therapie erfordert zwingend eine proteinreiche Ernährung (1,2-1,5g/kg) und Krafttraining, um dem gefährlichen Muskelabbau (Sarkopenie) entgegenzuwirken.

Müssen Sie die Spritze für immer nehmen? Was passiert nach dem Absetzen?

Eine der drängendsten Fragen ist die nach der Dauer der Therapie. Die kurze Antwort lautet: Adipositas ist eine chronische Erkrankung, und GLP-1-Agonisten sind eine chronische Therapie, keine kurzfristige Kur. Die Medikamente unterdrücken den Appetit und regulieren den Stoffwechsel, aber sie „heilen“ nicht die zugrunde liegende Veranlagung zu Übergewicht. Das Absetzen des Medikaments führt daher in den meisten Fällen zu einer erneuten Gewichtszunahme.

Die Erfahrung und Studien zeigen dies deutlich. Ohne eine nachhaltige Veränderung des Lebensstils kehrt der alte Appetit zurück und das Gewicht steigt wieder an. Eine Studie zeigte, dass Patienten nach dem Absetzen von Semaglutid durchschnittlich zwei Drittel des verlorenen Gewichts innerhalb eines Jahres wieder zunahmen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, die Therapie als langfristiges Management-Tool zu betrachten, ähnlich wie Blutdruck- oder Cholesterinsenker.

Das Ziel der Therapiephase ist daher nicht nur der reine Gewichtsverlust, sondern vor allem die Etablierung neuer, gesunder Gewohnheiten, die auch nach einer möglichen Dosisreduktion oder einem Absetzen der Therapie Bestand haben. Nutzen Sie die Zeit des reduzierten Appetits, um ein stabiles Bewegungsprogramm aufzubauen, gesunde Ernährungsweisen zu erlernen und ein besseres Körpergefühl zu entwickeln. Folgende Strategien sind entscheidend, um das erreichte Gewicht zu stabilisieren:

  • Kein abrupter Stopp: Eine schrittweise Reduktion der Dosis („Ausschleichen“) über mehrere Monate kann dem Körper helfen, sich anzupassen.
  • Professionelle Begleitung: Nutzen Sie die Möglichkeit einer kassenfinanzierten Ernährungsberatung (nach § 43 SGB V) oder zertifizierter Präventionskurse (nach § 20 SGB V).
  • Digitale Helfer: Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs), die von der Kasse erstattet werden, können bei der langfristigen Gewichtskontrolle unterstützen.
  • Regelmäßige Nachsorge: Behalten Sie auch nach Therapieende regelmäßige Kontrolltermine bei Ihrem Arzt bei, um frühzeitig gegensteuern zu können.

Die Entscheidung über die Dauer der Therapie ist individuell und muss gemeinsam mit Ihrem behandelnden Arzt getroffen werden, basierend auf dem erreichten Nutzen und den potenziellen Risiken und Kosten.

Ist Obst wirklich immer gesund? Warum Trauben und Bananen Ihre Blutfettwerte ruinieren können

Während der Therapie mit Semaglutid rückt die gesamte Ernährung in den Fokus. Eine häufig übersehene Komponente ist der Obstkonsum. Während Obst generell als gesund gilt, ist bei einer kardiometabolischen Therapie eine differenzierte Betrachtung notwendig. Insbesondere Obstsorten mit einem hohen Gehalt an Fruktose (Fruchtzucker) können die positiven Effekte der Therapie teilweise konterkarieren.

Fruktose wird in der Leber anders verstoffwechselt als Glukose. Ein Übermaß an Fruktose wird von der Leber direkt in Triglyzeride (eine Art von Blutfetten) umgewandelt. Erhöhte Triglyzeridwerte sind ein unabhängiger Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Semaglutid selbst verbessert die Blutfettwerte, einschließlich einer Senkung der Triglyzeride. Ein hoher Konsum von fruktosereichen Obstsorten wie Weintrauben, Bananen, Mangos oder auch Trockenfrüchten und Fruchtsäften kann diesen positiven Effekt jedoch schmälern oder sogar aufheben.

Es geht nicht darum, Obst komplett zu meiden, sondern die richtigen Sorten in der richtigen Menge zu wählen. Bevorzugen Sie Obst mit einem niedrigen Fruktosegehalt und einem hohen Anteil an Ballaststoffen und Antioxidantien. Dazu gehören insbesondere:

  • Beerenfrüchte: Heidelbeeren, Himbeeren, Erdbeeren und Brombeeren sind ideal.
  • Papaya und Kiwi: Sie enthalten Enzyme, die die Verdauung unterstützen können.
  • Wassermelone und Grapefruit: Diese haben ebenfalls einen relativ geringen Zuckeranteil.

Der Teufel steckt also im Detail. Eine bewusste Auswahl der Obstsorten ist ein kleiner, aber wichtiger Baustein im Gesamtkonzept einer herzgesunden Ernährung während der Wegovy-Therapie.

Für eine erfolgreiche Therapie zählt jedes Detail. Es ist daher wichtig, auch die Rolle scheinbar gesunder Lebensmittel wie Obst richtig einzuordnen.

Sprechen Sie mit Ihrem Kardiologen und Endokrinologen, um eine fundierte, auf Ihre individuelle Herzgesundheit und Stoffwechselsituation ausgerichtete Entscheidung über eine mögliche Therapie zu treffen. Eine umfassende ärztliche Beratung ist der erste und wichtigste Schritt.

Fragen und Antworten zu Obst während der Wegovy-Therapie

Welches Obst ist während der Wegovy-Therapie empfehlenswert?

Beerenfrüchte wie Heidelbeeren, Himbeeren und Erdbeeren sind ideal, da sie einen niedrigen glykämischen Index und wenig Fruktose enthalten. Auch Papaya und Kiwi sind gute Optionen, da sie Ballaststoffe und verdauungsfördernde Enzyme liefern.

Warum sollten Weintrauben und Bananen gemieden werden?

Diese Obstsorten haben einen hohen Fruktosegehalt. Überschüssige Fruktose wird in der Leber zu Triglyzeriden (Blutfetten) umgewandelt. Dies kann die positiven Effekte von Wegovy auf die Blutfettwerte konterkarieren und ist für Herzpatienten kontraproduktiv.

Wie viel Obst ist während der Therapie sinnvoll?

Eine gute Richtlinie sind zwei Portionen pro Tag, was etwa 250 Gramm entspricht. Bevorzugen Sie immer ganze Früchte gegenüber Säften oder Smoothies, da die enthaltenen Ballaststoffe den Blutzuckeranstieg verlangsamen und die Sättigung fördern.

Geschrieben von Dr. Thomas Hartmann, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie mit über 20 Jahren Erfahrung in klinischer Diagnostik und interventioneller Therapie. Als Oberarzt an einem großen Herzzentrum ist er spezialisiert auf Herzinsuffizienz, Bluthochdruckmanagement und moderne bildgebende Verfahren.