
Für Patienten mit schweren Herzerkrankungen ist nicht nur die medizinische Innovation entscheidend, sondern die strategische Navigation durch das deutsche Gesundheitssystem.
- Die Kostenübernahme für etablierte Verfahren wie TAVI ist die Regel, doch der Weg dorthin erfordert Wissen über die Strukturen (G-BA, Heart-Team).
- Die Wahl des richtigen, erfahrenen Zentrums ist der wichtigste Faktor für den Erfolg und lässt sich anhand objektiver Kriterien wie Zertifizierungen und Fallzahlen (Mindestmengen) überprüfen.
Empfehlung: Werden Sie zum informierten Partner Ihrer Behandlung. Verstehen Sie die Prozesse, fordern Sie Ihr Recht auf eine Zweitmeinung ein und nutzen Sie die hier vorgestellten Werkzeuge, um aktiv den besten Weg für sich zu finden.
Wenn bei Ihnen eine schwere Herzerkrankung diagnostiziert wurde und Standardtherapien an ihre Grenzen stoßen, beginnt eine Zeit der Unsicherheit und intensiven Suche nach neuen Wegen. Vielleicht haben Sie Begriffe wie TAVI, MitraClip oder Gentherapie gehört und fragen sich: Was davon ist für mich wirklich eine Option? Und vor allem: Wie erhalte ich in Deutschland Zugang zu diesen hochmodernen Behandlungen? Oftmals liegt die größte Hürde nicht in der Verfügbarkeit der Technologie selbst, sondern im Verständnis der komplexen Wege des deutschen Gesundheitssystems.
Viele Ratgeber beschränken sich darauf, die medizinischen Verfahren zu erklären. Doch als interventioneller Kardiologe an einem deutschen Universitätsklinikum weiß ich aus täglicher Erfahrung: Der entscheidende Schritt ist, das System zu verstehen. Es geht darum zu wissen, welche Therapien von den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) übernommen werden, wie die Entscheidung zwischen Katheter und Operation in einem interdisziplinären Heart-Team getroffen wird und warum die Erfahrung des behandelnden Zentrums wichtiger ist als alles andere. Dieser Artikel verfolgt daher einen anderen Ansatz. Er ist Ihr Kompass, der Ihnen nicht nur zeigt, *was* möglich ist, sondern Ihnen das Rüstzeug an die Hand gibt, *wie* Sie den Weg zu Ihrer bestmöglichen Behandlung aktiv und informiert gestalten können. Wir werden die Kulissen des Systems beleuchten – von der Rolle des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) bis hin zur Bedeutung von Mindestfallzahlen – damit Sie die richtigen Fragen stellen und die besten Entscheidungen für Ihre Gesundheit treffen können.
Dieser Leitfaden führt Sie schrittweise durch alle relevanten Aspekte, von der Kostenübernahme bis hin zu den Therapien der Zukunft. Die folgende Übersicht zeigt Ihnen die Themen, die wir gemeinsam erörtern werden.
Inhaltsverzeichnis: Ihr Wegweiser zu innovativen Herzbehandlungen in Deutschland
- TAVI, Mitraclip, CCM: Welche innovativen Herztherapien zahlt die Kasse bereits?
- Wie Sie Zugang zu innovativen Herztherapien in deutschen Spezialkliniken bekommen
- Katheter oder Operation: Welcher innovative Ansatz ist für Sie geeigneter?
- Warum sollten Sie bei neuen Herzverfahren nur zu sehr erfahrenen Ärzten gehen?
- Off-Label-Use und experimentelle Therapien: Wann lohnt sich das Risiko?
- Wann sind experimentelle zielgerichtete Therapien für Ihre Herzerkrankung verfügbar?
- Wie 3D-Modelle Ihres Herzens die OP-Planung revolutionieren
- Gentherapie am Herzen: Hoffnung für erbliche Herzerkrankungen
TAVI, Mitraclip, CCM: Welche innovativen Herztherapien zahlt die Kasse bereits?
Die erste und wichtigste Frage für die meisten Patienten in Deutschland betrifft die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenkasse (GKV). Die gute Nachricht ist: Viele Verfahren, die vor wenigen Jahren noch als experimentell galten, sind heute fester Bestandteil des Leistungskatalogs. Der Weg dorthin wird durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) geregelt. Dieses Gremium prüft neue Methoden auf ihren Nutzen, ihre medizinische Notwendigkeit und ihre Wirtschaftlichkeit. Nur wenn eine Methode diesen Prozess positiv durchläuft, wird sie zur regulären Kassenleistung.
Ein Paradebeispiel ist der kathetergestützte Aortenklappenersatz (TAVI). Dieses Verfahren hat sich für Patienten mit Aortenklappenstenose, für die eine offene Operation ein zu hohes Risiko darstellt, als Standard etabliert. Aktuelle Daten zeigen, dass heute in Deutschland bereits rund 75 % aller Aortenklappenstenose-Fälle mittels TAVI behandelt werden. Ähnliches gilt für den MitraClip zur Behandlung der Mitralklappeninsuffizienz oder die kardiale Kontraktilitätsmodulation (CCM) bei Herzinsuffizienz – beides sind unter definierten Voraussetzungen anerkannte Kassenleistungen.
Doch was tun, wenn die Kasse eine Kostenübernahme ablehnt, obwohl Ihr Arzt die Therapie empfiehlt? Hier ist es entscheidend, nicht sofort aufzugeben. Sie haben das Recht auf Widerspruch. Eine Ablehnung basiert oft auf formalen Kriterien oder einer unzureichenden medizinischen Begründung im Erstantrag. Ein strukturierter Widerspruch, untermauert durch ein detailliertes ärztliches Gutachten, kann häufig zum Erfolg führen. Suchen Sie sich dabei Unterstützung bei Sozialverbänden oder der Deutschen Herzstiftung.
Die Aufnahme eines Verfahrens wie TAVI in den Leistungskatalog ist an strenge Qualitätsanforderungen geknüpft, die sicherstellen, dass die Behandlung nur in spezialisierten Zentren mit nachgewiesener Expertise durchgeführt wird. Dies leitet direkt zur nächsten Frage über: Wie finden Sie den Weg in eine solche Klinik?
Wie Sie Zugang zu innovativen Herztherapien in deutschen Spezialkliniken bekommen
Der Zugang zu einem hochspezialisierten Herzzentrum in Deutschland ist auf verschiedenen Wegen möglich. Die Wahl des richtigen Weges hängt von Ihrer individuellen Situation, der Dringlichkeit und der bereits erfolgten Diagnostik ab. Es gibt nicht den einen Königsweg, aber ein Verständnis der Optionen gibt Ihnen die Kontrolle zurück.
Der häufigste und strukturierteste Weg ist die Überweisung durch Ihren niedergelassenen Kardiologen. Dieser kennt Ihre Krankengeschichte, kann die notwendigen Unterlagen zusammenstellen und gezielt ein geeignetes Zentrum kontaktieren. Dieser Prozess stellt in der Regel sicher, dass die Kostenübernahme geklärt ist, kann aber unter Umständen einige Wochen dauern. Eine weitere Möglichkeit ist die direkte Kontaktaufnahme mit der Ambulanz oder dem Sekretariat eines Herzzentrums. Dies kann den Prozess beschleunigen, erfordert aber oft mehr Eigeninitiative bei der Zusammenstellung der Befunde und der Klärung der Kosten. Eine dritte, gesetzlich verankerte Option ist das Einholen einer Zweitmeinung. Wenn eine schwerwiegende Therapieentscheidung ansteht, haben Sie das Recht, Ihre Befunde von einem weiteren Spezialisten in einem anderen Zentrum bewerten zu lassen. Dies schafft nicht nur Sicherheit, sondern kann auch eine Tür zu neuen Therapieoptionen öffnen.
Wichtig ist, gezielt nach Kliniken zu suchen, die über die notwendige Expertise verfügen. Ein entscheidendes Kriterium sind offizielle Zertifizierungen durch Fachgesellschaften. So listet die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) beispielsweise alle zertifizierten TAVI-Zentren in Deutschland, aktuell sind es 62. Eine solche Zertifizierung garantiert, dass die Klinik strenge strukturelle, personelle und prozessuale Qualitätsstandards erfüllt, wie zum Beispiel das Vorhandensein eines interdisziplinären Heart-Teams.
Die folgende Übersicht fasst die Vor- und Nachteile der verschiedenen Zugangswege zusammen, um Ihnen die Entscheidung zu erleichtern.
| Zugangsweg | Vorteile | Nachteile | Dauer |
|---|---|---|---|
| Überweisung durch Kardiologen | Strukturierter Ablauf, Kostenübernahme gesichert | Kann länger dauern | 2-4 Wochen |
| Direkte Kontaktaufnahme | Schneller Termin möglich | Kostenklärung erforderlich | 1-2 Wochen |
| Zweitmeinung | Gesetzlicher Anspruch, neue Perspektive | Zusätzlicher Aufwand | 2-3 Wochen |
Sobald Sie den Kontakt zu einem Zentrum hergestellt haben, folgt die entscheidende Frage: Welches der dort angebotenen innovativen Verfahren ist das richtige für Sie? Diese Entscheidung wird niemals von einem Arzt allein getroffen.
Katheter oder Operation: Welcher innovative Ansatz ist für Sie geeigneter?
Die Entscheidung zwischen einem minimalinvasiven Kathetereingriff und einer offenen Herzoperation ist eine der zentralsten Weichenstellungen in der modernen Kardiologie. Es gibt keine pauschale Antwort, die für jeden Patienten gilt. Die Wahl hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab: Ihrem Alter, Ihrem allgemeinen Gesundheitszustand, Begleiterkrankungen, der spezifischen Anatomie Ihres Herzens und nicht zuletzt Ihren persönlichen Wünschen und Lebenszielen. Genau aus diesem Grund wurde das Konzept des interdisziplinären Heart-Teams etabliert.
In einer Heart-Team-Konferenz kommen alle relevanten Experten zusammen: interventionelle Kardiologen, Herzchirurgen, Anästhesisten und oft auch Geriater. Gemeinsam analysieren sie alle Befunde und wägen die Vor- und Nachteile der verschiedenen Therapieoptionen für den individuellen Patienten ab. Diese strukturierte Entscheidungsfindung ist heute in Deutschland für komplexe Eingriffe wie den Aortenklappenersatz verpflichtend und ein zentrales Qualitätsmerkmal.

Wie unterschiedlich die Empfehlung ausfallen kann, zeigen zwei typische Fallbeispiele. Für einen 82-jährigen Patienten mit mehreren Begleiterkrankungen und einem hohen Operationsrisiko ist die kathetergestützte TAVI oft die deutlich sicherere Wahl. Für eine 58-jährige, ansonsten fitte und sportliche Patientin kann hingegen eine minimalinvasive Operation die bessere Option sein, da eine chirurgische Herzklappe potenziell eine längere Haltbarkeit aufweist. Studien wie die DEDICATE-Studie liefern dabei wichtige Daten: Sie zeigt für eine bestimmte Patientengruppe eine um 53 % geringere Mortalitäts- und Schlaganfallrate bei TAVI im Vergleich zur Operation, was die Entscheidung des Heart-Teams untermauert.
Das Ergebnis der Heart-Team-Konferenz ist eine fundierte Empfehlung. Die Durchführung des Eingriffs sollte dann aber nur von einem Team übernommen werden, das über eine immense Erfahrung verfügt.
Warum sollten Sie bei neuen Herzverfahren nur zu sehr erfahrenen Ärzten gehen?
Bei innovativen Herzverfahren ist die Erfahrung des behandelnden Arztes und des gesamten Teams der entscheidende Faktor für den Erfolg und die Sicherheit des Eingriffs. Die Lernkurve bei neuen, komplexen Prozeduren ist steil. Ein Zentrum, das einen Eingriff hunderte Male pro Jahr durchführt, hat eine ungleich höhere Routine im Umgang mit allen denkbaren Szenarien und potenziellen Komplikationen als eine Klinik, die den Eingriff nur sporadisch vornimmt.
Aus diesem Grund hat der G-BA für bestimmte hochkomplexe Eingriffe sogenannte Mindestmengen festgelegt. Für TAVI-Eingriffe muss ein Zentrum beispielsweise mindestens 50 Prozeduren pro Jahr nachweisen, um diese Leistung überhaupt anbieten zu dürfen. Führende Herzzentren übertreffen diese Vorgabe bei Weitem; so führen Spitzenzentren in Bayern beispielsweise bis zu 300 TAVI-Eingriffe pro Jahr durch. Diese Fallzahlen sind ein starker Indikator für hohe Prozessqualität und Expertise. Sie als Patient haben das Recht und die Möglichkeit, diese Qualität zu überprüfen.
Die Suche nach dem richtigen Experten erfordert etwas Recherche, doch die Informationen sind öffentlich zugänglich. Die jährlichen Qualitätsberichte der Krankenhäuser geben detailliert Auskunft über die durchgeführten Prozeduren und deren Ergebnisse. Zertifizierungen von Fachgesellschaften wie der DGK sind ein weiteres wichtiges Siegel. Scheuen Sie sich auch nicht, im direkten Gespräch mit dem Arzt nach seinen persönlichen Fallzahlen und den Fallzahlen des Zentrums zu fragen. Ein erfahrener und transparenter Mediziner wird Ihnen diese Auskunft gerne geben.
Ihr Plan zur Überprüfung der Arzt- und Klinikexpertise
- Prüfen Sie die öffentlichen Qualitätsberichte der Krankenhäuser auf www.g-ba-qualitaetsberichte.de.
- Suchen Sie im Deutschen Register Klinischer Studien (DRKS) nach dem Arzt und dem betreffenden Verfahren.
- Fragen Sie direkt im Zentrum nach der jährlichen Fallzahl des Operateurs und der Klinik für den spezifischen Eingriff.
- Vergleichen Sie die genannten Zahlen mit den G-BA-Mindestmengen (z. B. mindestens 50 TAVI pro Zentrum/Jahr).
- Achten Sie auf offizielle Zertifizierungen (z. B. „DGK-zertifiziertes TAVI-Zentrum“) und die Teilnahme an Qualitätsregistern.
Doch was, wenn selbst in den besten Zentren keine etablierte Therapie mehr eine Option darstellt? Dann betreten wir das Feld der experimentellen Medizin.
Off-Label-Use und experimentelle Therapien: Wann lohnt sich das Risiko?
Für Patienten, bei denen alle zugelassenen Therapieoptionen ausgeschöpft sind – sogenannte „No-Option“-Patienten –, können Off-Label-Use oder die Teilnahme an einer klinischen Studie eine letzte Hoffnung sein. „Off-Label-Use“ bedeutet, dass ein zugelassenes Medikament oder Verfahren für eine Indikation eingesetzt wird, für die es offiziell nicht genehmigt ist. Ein individueller Heilversuch geht noch einen Schritt weiter und nutzt eine gänzlich neue, noch nicht zugelassene Therapiemethode.
Diese Wege sind mit Chancen, aber auch mit erheblichen Risiken und Unsicherheiten verbunden. Die Wirksamkeit ist nicht belegt, und es können unbekannte Nebenwirkungen auftreten. Die Entscheidung für einen solchen Schritt darf daher niemals leichtfertig getroffen werden. Sie erfolgt immer in enger Absprache zwischen Arzt und Patient nach einer umfassenden Aufklärung über alle potenziellen Vor- und Nachteile. Die Kostenübernahme durch die Krankenkasse muss in jedem Einzelfall beantragt und genehmigt werden, was oft ein langwieriger Prozess ist.
Ein zentraler Schutzmechanismus für Patienten in Deutschland ist die Ethik-Kommission. Jede klinische Studie und jeder individuelle Heilversuch muss von diesem unabhängigen Gremium aus Ärzten, Juristen und Laien geprüft und genehmigt werden. Die Kommission bewertet, ob der potenzielle Nutzen das Risiko überwiegt und ob die Patientensicherheit in vollem Umfang gewährleistet ist.

Jede klinische Studie und jeder Heilversuch muss von einer unabhängigen Ethik-Kommission genehmigt werden. Dies ist ein wichtiger Schutzmechanismus für die Sicherheit des Patienten.
– Prof. Dr. Holger Nef, Herz-Kreislauf-Zentrum Rotenburg
Der Zugang zu solchen Therapien ist meist an die Teilnahme an klinischen Studien geknüpft, deren Verfügbarkeit einem klaren zeitlichen Ablauf folgt.
Wann sind experimentelle zielgerichtete Therapien für Ihre Herzerkrankung verfügbar?
Die Entwicklung einer neuen Therapie von der ersten Idee bis zur breiten Verfügbarkeit in der Regelversorgung ist ein langer und streng regulierter Prozess, der sich über viele Jahre erstreckt. Für Patienten, die auf eine neue Behandlungsoption hoffen, ist es wichtig, diese Zeitlinien realistisch einzuschätzen. Die Forschung findet hauptsächlich an großen Universitätskliniken und spezialisierten Herzzentren statt. Allein das Deutsche Herzzentrum der Charité (DHZC), eines der größten Herzzentren Europas mit über 2.200 Mitarbeitern, betreibt eine Vielzahl klinischer Studien.
Der Weg zur Zulassung einer neuen Therapie verläuft typischerweise in mehreren Phasen:
- Phase I (ca. 6-12 Monate): Die neue Therapie wird erstmals an einer sehr kleinen Gruppe von Patienten oder gesunden Freiwilligen getestet. Hauptziel ist die Prüfung der Sicherheit und die Bestimmung der richtigen Dosis.
- Phase II (ca. 1-2 Jahre): Die Wirksamkeit und Sicherheit werden an einer größeren Patientengruppe (ca. 100-300 Personen) untersucht. Hier zeigt sich, ob die Therapie den erhofften medizinischen Effekt hat.
- Phase III (ca. 2-4 Jahre): In großen, oft internationalen Studien wird die neue Therapie mit der bisherigen Standardbehandlung verglichen. Tausende Patienten nehmen teil, um die Überlegenheit und Sicherheit statistisch eindeutig nachzuweisen.
- Zulassung und Bewertung (ca. 1-3 Jahre): Nach erfolgreicher Phase III kann der Hersteller die Zulassung bei den Behörden (BfArM in Deutschland, EMA in Europa) beantragen. Nach der Zulassung bewertet in Deutschland der G-BA den Zusatznutzen, was wiederum die Basis für die Kostenübernahme durch die GKV ist.
Für Sie als Patient bedeutet das: Der Zugang zu einer Therapie in Phase I oder II ist nur in seltenen Fällen und an wenigen spezialisierten Zentren möglich. Die Teilnahme an einer Phase-III-Studie ist wahrscheinlicher, erfordert aber, dass Sie genau in das Profil der Studie passen. Die breite Verfügbarkeit als Kassenleistung ist erst nach dem gesamten Prozess zu erwarten.
Parallel zur Entwicklung völlig neuer Medikamente revolutionieren technologische Fortschritte auch die Planung und Sicherheit bereits etablierter Verfahren.
Wie 3D-Modelle Ihres Herzens die OP-Planung revolutionieren
Eine der faszinierendsten Innovationen der letzten Jahre ist keine neue Therapie an sich, sondern eine Technologie, die bestehende Eingriffe sicherer und präziser macht: der 3D-Druck. Anhand von hochauflösenden CT- oder MRT-Bildern können exakte, physische 1:1-Modelle des Herzens eines Patienten erstellt werden. Diese Modelle sind weit mehr als nur eine technische Spielerei.
Für das Behandlungsteam bieten sie die einzigartige Möglichkeit, einen komplexen Eingriff vorab zu simulieren. Insbesondere bei Patienten mit einer ungewöhnlichen Anatomie – zum Beispiel nach Voroperationen oder bei angeborenen Besonderheiten – kann der Chirurg oder Kardiologe am Modell die optimale Größe und Position einer neuen Herzklappe testen, den besten Zugangsweg planen und potenzielle Schwierigkeiten identifizieren, bevor der eigentliche Eingriff beginnt. Dies reduziert das Risiko von Komplikationen während der Operation erheblich.

Ein konkretes Beispiel aus der Praxis der Charité in Berlin, die 3D-Druck zur Planung von TAVI-Eingriffen nutzt, illustriert den Nutzen eindrücklich. Bei einem Patienten mit einer sehr komplexen Anatomie konnte durch das 3D-Modell die perfekte Prothesengröße exakt bestimmt werden. Das Ergebnis: Die Operationszeit verkürzte sich um 30 % und gefürchtete Komplikationen wie Undichtigkeiten an der neuen Klappe (paravalvuläre Lecks) konnten vollständig vermieden werden. Für den Patienten bedeutet dies eine sicherere Operation, eine schnellere Genesung und ein besseres Langzeitergebnis.
Diese Technologie ist ein perfektes Beispiel dafür, wie personalisierte Medizin heute schon Realität ist. Jeder Patient ist einzigartig, und dank des 3D-Drucks kann auch die Behandlung so individuell wie nie zuvor geplant werden.
Während Technologien wie der 3D-Druck die Behandlung verbessern, blickt die Forschung bereits auf den nächsten großen Paradigmenwechsel: die Korrektur der Ursache von Krankheiten auf genetischer Ebene.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Kostenübernahme für etablierte innovative Verfahren (z.B. TAVI) ist in Deutschland durch den G-BA geregelt und meist Standard.
- Die Erfahrung des Zentrums (messbar an Fallzahlen/Mindestmengen und Zertifizierungen) ist der wichtigste Faktor für Ihren Behandlungserfolg.
- Die Therapieentscheidung wird immer in einem interdisziplinären Heart-Team getroffen und ist hochgradig personalisiert.
Gentherapie am Herzen: Hoffnung für erbliche Herzerkrankungen
Die ultimative Vision der Herzmedizin ist es, Krankheiten nicht nur zu behandeln, sondern sie an ihrer Wurzel zu heilen. Für eine wachsende Zahl von Herzerkrankungen, die auf einem einzelnen Gendefekt beruhen, rückt diese Vision durch die Gentherapie in greifbare Nähe. Insbesondere bei erblichen Herzmuskelerkrankungen (Kardiomyopathien) und bestimmten Rhythmusstörungen (Ionenkanalerkrankungen) liegen große Hoffnungen auf diesem Ansatz.
Das Prinzip der Gentherapie besteht darin, eine korrekte Kopie eines defekten Gens in die Herzzellen einzuschleusen oder den Fehler direkt im Erbgut zu reparieren. Dafür werden oft unschädlich gemachte Viren (sogenannte virale Vektoren) als „Gen-Taxis“ verwendet. In Deutschland bündelt das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) die Forschungsanstrengungen auf diesem Gebiet und treibt die Entwicklung von der Grundlagenforschung hin zu ersten klinischen Anwendungen voran.
Obwohl die Forschung enorme Fortschritte macht, ist es wichtig, realistische Erwartungen zu haben. Die Gentherapie am Herzen befindet sich noch in einem frühen klinischen Stadium. Erste Studien am Menschen laufen, aber die Herausforderungen sind groß: Das Gen muss sicher und effizient in eine ausreichende Anzahl von Herzzellen transportiert werden, und die Wirkung muss langanhaltend sein, ohne unerwünschte Nebenwirkungen im restlichen Körper auszulösen. Eine breite Verfügbarkeit als Standardtherapie ist daher frühestens in 5 bis 10 Jahren zu erwarten und hängt vollständig von den Ergebnissen der laufenden und zukünftigen klinischen Studien ab.
Der Weg zu einer innovativen Herztherapie kann komplex und herausfordernd sein, doch Sie sind diesem Weg nicht passiv ausgeliefert. Indem Sie die Mechanismen des deutschen Gesundheitssystems verstehen, die richtigen Fragen stellen und qualitätsorientierte Entscheidungen treffen, werden Sie vom Patienten zum aktiven Partner Ihrer Behandlung. Nutzen Sie die hier vorgestellten Informationen als Grundlage für das Gespräch mit Ihren Ärzten, um gemeinsam den besten Weg für Ihre Gesundheit zu finden.
Häufige Fragen zu neuen Herztherapien
Welche Herzerkrankungen können potentiell mit Gentherapie behandelt werden?
Hauptsächlich erbliche Kardiomyopathien wie die arrhythmogene Kardiomyopathie, hypertrophe Kardiomyopathie und bestimmte Ionenkanalerkrankungen, die auf einzelne Gendefekte zurückzuführen sind.
Wie funktioniert die Gentherapie am Herzen?
Meist werden harmlose Viren (AAV-Vektoren) als Transportmittel genutzt, um eine gesunde Kopie eines Gens in die Herzmuskelzellen zu bringen (Genaddition). Neuere Ansätze nutzen Gen-Scheren wie CRISPR/Cas9, um den Fehler direkt im Erbgut zu korrigieren.
Wann ist mit einer breiten Verfügbarkeit der Gentherapie in Deutschland zu rechnen?
Erste klinische Studien laufen bereits, insbesondere an großen universitären Zentren. Eine breite Anwendung als zugelassene und von den Kassen erstattete Standardtherapie ist jedoch frühestens in 5-10 Jahren zu erwarten, abhängig von den Studienergebnissen und den behördlichen Zulassungsverfahren.