Veröffentlicht am Mai 17, 2024

Entgegen der weitverbreiteten Annahme, Arteriosklerose sei ein reiner Alterungsprozess, zeigt die moderne Angiologie: Es ist ein dynamisches Geschehen. Dieser Artikel enthüllt, dass nicht nur Fett, sondern vor allem Zucker und chronische Entzündungen die Gefäße schädigen. Die entscheidende Erkenntnis ist jedoch, dass die Stabilisierung von Plaques und die gezielte Beeinflussung von Risikofaktoren wie Lipoprotein(a) wichtiger sind als die reine Existenz von Kalk, was neue, hoffnungsvolle Wege zur Gefäßregeneration eröffnet.

Die Diagnose „Gefäßverkalkung“ oder Arteriosklerose klingt für viele Menschen wie ein endgültiges Urteil – ein unaufhaltsamer Prozess des Alterns, der unweigerlich zu Herzinfarkt oder Schlaganfall führt. Man hört die üblichen Ratschläge: weniger Fett essen, mehr bewegen, nicht rauchen. Diese Empfehlungen sind zwar nicht falsch, kratzen aber nur an der Oberfläche eines hochkomplexen Geschehens. Sie lassen die wichtigste Frage unbeantwortet: Was passiert wirklich in unseren Adern und können wir diesen Prozess nicht nur verlangsamen, sondern vielleicht sogar umkehren?

Die Wahrheit ist, dass Arteriosklerose weit mehr ist als nur eine „Verstopfung“ durch Fett. Es ist ein entzündlicher Prozess, der oft schon in jungen Jahren beginnt und durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird, die weit über das Cholesterin hinausgehen. Die moderne Gefäßmedizin hat erkannt, dass das eigentliche Problem oft nicht der Kalk selbst ist, sondern die endotheliale Dysfunktion – eine Störung der innersten Schicht unserer Gefäßwände, die ihre Schutzfunktion verliert.

Doch hier liegt auch die gute Nachricht und der Kern dieses Artikels: Wenn wir die Mechanismen verstehen, die zu diesen mikroskopischen Schäden führen, können wir gezielt eingreifen. Der Fokus verschiebt sich von der bloßen Bekämpfung von Symptomen hin zur aktiven vaskulären Regeneration. Es geht nicht mehr nur darum, das Schlimmste zu verhindern, sondern darum, die Gesundheit und Elastizität unserer Gefäße bestmöglich wiederherzustellen.

Dieser Artikel führt Sie durch die entscheidenden, oft übersehenen Aspekte der Gefäßgesundheit. Wir werden beleuchten, wie Sie Ihr persönliches Risiko präzise bestimmen, welche Rolle Zucker und versteckte Blutfette spielen und warum die Art der Ablagerung wichtiger ist als ihre reine Menge. Sie erhalten wissenschaftlich fundierte und praxisnahe Strategien, um die Kontrolle über Ihre Gefäßgesundheit zurückzugewinnen.

Die folgenden Abschnitte bieten Ihnen einen detaillierten Einblick in die modernsten Erkenntnisse der Angiologie. Sie erfahren, welche diagnostischen Methoden wirklich sinnvoll sind und welche konkreten Schritte Sie unternehmen können, um Ihre Gefäße nicht nur zu schützen, sondern aktiv zu pflegen.

Kalk in den Adern messen: Für wen lohnt sich das CT-Screening der Herzkranzgefäße?

Bevor wir über Maßnahmen sprechen, steht die Frage: Wo stehen Sie persönlich? Eine der präzisesten Methoden, das Ausmaß der Arteriosklerose in den Herzkranzgefäßen zu quantifizieren, ist der sogenannte Kalzium-Score (CAC-Score) mittels Computertomographie (CT). Diese Untersuchung misst die Menge an verkalkten Plaques und liefert einen Wert, der das zukünftige Herzinfarktrisiko sehr gut vorhersagen kann. Es ist quasi ein Blick in die „geologische“ Geschichte Ihrer Gefäße.

Doch für wen ist dieses Screening sinnvoll? Es ist keine Routineuntersuchung für jedermann. Besonders wertvoll ist der CAC-Score für Menschen mit einem mittleren Risiko: Personen über 45 Jahre, bei denen Risikofaktoren wie leicht erhöhter Blutdruck, grenzwertiges Cholesterin oder eine familiäre Vorbelastung vorliegen, aber noch keine eindeutige Entscheidung für oder gegen eine medikamentöse Therapie (z. B. mit Statinen) getroffen wurde. Ein hoher Score kann hier den entscheidenden Anstoß für eine konsequentere Behandlung geben, während ein Score von Null extrem beruhigend ist und zeigt, dass das Risiko für die nächsten Jahre sehr gering ist.

Diese Untersuchung ist in Deutschland in der Regel eine individuelle Gesundheitsleistung (IGeL). Die Kosten für eine solche CAC-Score-Untersuchung liegen zwischen 250 und 450 €, wobei private Kassen die Kosten oft erstatten. Für gesetzlich Versicherte ist die Kostenübernahme an engere Bedingungen geknüpft, doch die Investition in Klarheit kann sich lohnen.

CT-Screening der Herzkranzgefäße zur Messung des Calcium-Scores

Wie die Abbildung zeigt, handelt es sich um eine moderne, nicht-invasive Untersuchung. Der Patient liegt entspannt in der Röhre des CT-Scanners, während in wenigen Sekunden hochauflösende Bilder des Herzens erstellt werden. Diese Bilder ermöglichen es dem Radiologen, die Kalkablagerungen exakt zu quantifizieren und das individuelle Risiko präzise einzuschätzen. Diese Klarheit ist oft der erste und wichtigste Schritt auf dem Weg zu einer proaktiven Gefäßgesundheit.

Checkliste: Bin ich ein Kandidat für den CAC-Score?

  1. Prüfen Sie Ihr Alter: Sind Sie über 45 Jahre alt und haben Sie mindestens einen weiteren Risikofaktor (z.B. Bluthochdruck, Rauchen, Diabetes)?
  2. Analysieren Sie Ihre Familiengeschichte: Gab es Herzinfarkte oder Schlaganfälle bei direkten Verwandten (Eltern, Geschwister) vor dem 60. Lebensjahr?
  3. Bewerten Sie Ihre Laborwerte: Liegen Ihre Cholesterin- oder Blutdruckwerte im Graubereich, wo Ihr Arzt noch keine klare Therapieempfehlung ausgesprochen hat?
  4. Informieren Sie sich über neue Regelungen: Ab Januar 2025 wird die Abrechnung von Herz-CT-Leistungen (CCTA) mit gesetzlichen Kassen unter bestimmten Bedingungen einfacher, was die Zugänglichkeit verbessern kann.
  5. Besprechen Sie das Ergebnis: Ein Score über 100 rechtfertigt oft eine Statin-Therapie als Kassenleistung. Sprechen Sie Ihren Hausarzt proaktiv auf diese Möglichkeit an.

Letztendlich bietet der Kalzium-Score eine unschätzbare Entscheidungsgrundlage. Er ersetzt nicht die Bedeutung eines gesunden Lebensstils, aber er personalisiert das Risiko und macht es greifbar, was die Motivation für notwendige Veränderungen enorm steigern kann.

Nicht nur Fett verstopft Adern: Wie Zucker mikroskopische Risse in Gefäßen verursacht

Die Vorstellung, dass Arteriosklerose primär durch Fett und Cholesterin verursacht wird, ist tief in unserem Gesundheitsbewusstsein verankert. Doch diese Sichtweise ist unvollständig und ignoriert einen mindestens ebenso schädlichen Akteur: den Zucker. Der schädliche Prozess, den übermäßiger Zucker in den Gefäßen auslöst, nennt sich Glykation. Man kann es sich wie eine Art „Karamellisierung“ von körpereigenen Strukturen vorstellen.

Wenn Zuckermoleküle im Blut auf Eiweiße und Fette treffen, gehen sie eine starre, unflexible Verbindung ein. Diese Endprodukte werden „Advanced Glycation End-products“ (AGEs) genannt. Sie lagern sich in der empfindlichen Innenwand der Arterien, dem Endothel, ab und verursachen dort mikroskopische Risse und eine chronische, niedrigschwellige Entzündung. Das Endothel wird steif und verliert seine Fähigkeit, sich zu weiten und zu verengen. Dieser Verlust der Elastizität ist einer der ersten Schritte der endothelialen Dysfunktion. Der Körper reagiert auf diese „Verletzungen“, indem er versucht, sie mit Cholesterin zu „reparieren“ – der Grundstein für eine arteriosklerotische Plaque ist gelegt.

Besonders tückisch sind AGEs, die nicht nur im Körper entstehen, sondern auch direkt mit der Nahrung aufgenommen werden. Stark erhitzte, gebräunte oder geröstete Lebensmittel wie die Kruste von Brot und Braten, dunkles Bier oder frittierte Speisen sind reich an diesen schädlichen Verbindungen. Eine fett- und zuckerreiche Ernährung befeuert diesen Prozess doppelt. Ein wichtiger Indikator für die langfristige Zuckerbelastung ist der HbA1c-Wert, der beim Hausarzt gemessen werden kann. Er ist wie ein „Blutzucker-Tagebuch“ der letzten drei Monate und ein exzellenter Marker für die Gefäßgesundheit.

Es ist also nicht das Cholesterin allein, das die Adern „verstopft“. Vielmehr ist es oft der durch Zucker verursachte Schaden, der dem Cholesterin erst die Möglichkeit gibt, sich in der Gefäßwand festzusetzen. Die Reduzierung von Zucker und AGEs in der Ernährung ist daher ein fundamentaler Hebel zur Regeneration der Gefäßfunktion.

Ihr Aktionsplan: AGEs in Ihrer Ernährung aufspüren

  1. Lebensmittel-Check: Identifizieren Sie alle stark verarbeiteten und hoch erhitzten Produkte in Ihrem Kühlschrank und Vorratsschrank (z.B. Fertiggerichte, dunkle Backwaren, Chips).
  2. Kochmethoden-Audit: Listen Sie auf, wie oft Sie pro Woche braten, frittieren oder grillen. Vergleichen Sie dies mit schonenden Garmethoden wie Dämpfen, Dünsten oder Sous-vide.
  3. Getränke-Analyse: Überprüfen Sie Ihren Konsum von zuckerhaltigen Limonaden und auch dunklen Biersorten oder Colagetränken, die viele Röstprodukte (AGEs) enthalten.
  4. „Versteckter Zucker“-Fahndung: Lesen Sie die Zutatenlisten Ihrer Lieblingsprodukte. Achten Sie auf Begriffe wie Glukosesirup, Fruktose oder Maltodextrin.
  5. Integrationsplan: Ersetzen Sie eine stark AGE-haltige Mahlzeit pro Woche durch eine schonend zubereitete Alternative. Tauschen Sie Weizenbrötchen gegen echtes Sauerteig-Roggenbrot, dessen lange Fermentation AGEs reduziert.

Die gute Nachricht ist, dass dieser Prozess beeinflussbar ist. Eine bewusste Ernährung, die auf frischen, schonend zubereiteten Lebensmitteln basiert, kann die Bildung und Aufnahme von AGEs drastisch reduzieren und dem Endothel die Chance geben, sich zu erholen.

Wie schnell erholen sich Ihre Gefäße wirklich nach der letzten Zigarette?

Rauchen ist der wohl bekannteste und potenteste Risikofaktor für Arteriosklerose. Jede einzelne Zigarette setzt einen wahren Cocktail aus Tausenden von Chemikalien frei, der einen direkten Angriff auf die empfindliche Innenwand unserer Blutgefäße, das Endothel, startet. Nikotin führt zur Verengung der Arterien, während freie Radikale eine massive Entzündungsreaktion und oxidativen Stress auslösen. Dies lähmt die Produktion von Stickstoffmonoxid (NO), dem wichtigsten Molekül für die Gefäßerweiterung und -elastizität. Die Folge: Das Endothel wird rau, klebrig und durchlässig – eine perfekte Einladung für Cholesterin und Entzündungszellen, sich anzulagern.

Die entscheidende Frage für viele Raucher ist jedoch: Ist der Schaden permanent? Die Antwort der Wissenschaft ist ein klares und hoffnungsvolles „Nein“. Die Regenerationsfähigkeit des Körpers ist erstaunlich, und die positiven Effekte eines Rauchstopps sind oft schneller spürbar, als man denkt. Es ist eine der wirksamsten Maßnahmen zur „Gefäßverjüngung“. Schon kurz nach der letzten Zigarette beginnt der Heilungsprozess:

  • Nach 20 Minuten: Blutdruck und Puls beginnen sich zu normalisieren. Das Endothel kann „aufatmen“ und die Gefäße können sich wieder besser weiten.
  • Nach 24 Stunden: Der Körper beginnt, das giftige Kohlenmonoxid aus dem Blut zu eliminieren. Die Stickoxid-Produktion, entscheidend für die Gefäßelastizität, normalisiert sich langsam.
  • Nach 1 Monat: Die Funktion des Endothels verbessert sich messbar. Die chronische Entzündung in den Gefäßwänden geht zurück.
  • Nach 1 Jahr: Das Risiko für einen Herzinfarkt, der oft durch die Ruptur einer instabilen Plaque ausgelöst wird, ist bereits signifikant gesunken.

Langfristig ist der Effekt noch beeindruckender. Studien zeigen, dass Menschen, die das Rauchen beenden, ihr Risiko für Arteriosklerose halbieren, und das unabhängig davon, wie lange sie zuvor geraucht haben. Nach etwa fünf bis zehn Jahren nähert sich die Gefäßfunktion der eines Nichtrauchers an. Zwar können bereits bestehende, stark verkalkte Plaques nicht einfach verschwinden, aber das Risiko, dass sie aufreißen und einen akuten Verschluss verursachen, sinkt dramatisch.

Ein Rauchstopp ist somit keine passive Schadensbegrenzung, sondern ein aktiver Akt der vaskulären Regeneration. Es ist die effektivste Einzelmaßnahme, um die Uhr für die eigenen Blutgefäße zurückzudrehen und ihnen die Chance zur Heilung zu geben.

Vitamin K2 und Magnesium: Helfen Nahrungsergänzungsmittel gegen verkalkte Arterien?

Die Idee, Arterienverkalkung mit Nahrungsergänzungsmitteln zu bekämpfen, ist verlockend. Doch während viele Produkte beworben werden, rücken zwei Mikronährstoffe zunehmend in den wissenschaftlichen Fokus: Vitamin K2 und Magnesium. Ihre Rolle lässt sich am besten über das sogenannte „Kalzium-Paradoxon“ erklären: Wir brauchen Kalzium für starke Knochen, aber im Übermaß in den Arterienwänden ist es schädlich. Genau hier setzen Vitamin K2 und Magnesium an.

Vitamin K2 fungiert als eine Art „Verkehrspolizist“ für Kalzium. Es aktiviert zwei wichtige Proteine: Osteocalcin, das Kalzium in die Knochen und Zähne einbaut, und das Matrix-Gla-Protein (MGP), das aktiv verhindert, dass sich Kalzium in den weichen Geweben wie den Arterienwänden ablagert. Ein Mangel an Vitamin K2 führt dazu, dass das Kalzium quasi „orientierungslos“ ist und sich dort absetzt, wo es Schaden anrichtet. Die berühmte Rotterdam-Studie zeigte, dass Menschen mit einem hohen Konsum an natürlichem Vitamin K2 ihr Risiko für schwere Arteriosklerose und die damit verbundene Sterblichkeit um rund 50 % reduzieren konnten.

Vitamin K2 als Verkehrspolizist der Calcium aus Arterien in Knochen leitet

Wichtig ist hierbei die Form: Vitamin K2 als MK-7 (Menachinon-7) ist die wirksamste Variante mit der längsten Halbwertszeit im Körper. Es sollte zudem in der biologisch aktiven „all-trans“-Form vorliegen. Natürliche Quellen sind fermentierte Lebensmittel wie Natto (eine japanische Sojabohnenspezialität), aber auch in geringeren Mengen Hartkäse, Butter und Eigelb von Weidetieren.

Magnesium ist der unverzichtbare Partner von Vitamin K2. Es wird für die Aktivierung von Vitamin D benötigt, welches wiederum die Aufnahme von Kalzium steuert. Zudem hat Magnesium eine direkt entspannende Wirkung auf die glatte Muskulatur der Gefäßwände, was den Blutdruck senken und die Gefäßelastizität verbessern kann. Ein Magnesiummangel, der in Deutschland weit verbreitet ist, kann die negativen Effekte einer fehlgeleiteten Kalziumverteilung noch verstärken. Obwohl eine gesunde Ernährung mit viel grünem Blattgemüse, Nüssen und Vollkornprodukten die Basis sein sollte, kann eine gezielte Supplementierung in Absprache mit einem Arzt sinnvoll sein, um die Gefäße vor weiterer Verkalkung zu schützen.

Es ist jedoch wichtig zu betonen: Nahrungsergänzungsmittel sind kein Ersatz für einen gesunden Lebensstil. Sie können jedoch eine sinnvolle Ergänzung sein, um die Weichen im Körper richtig zu stellen und das Kalzium dorthin zu leiten, wo es hingehört – in die Knochen, nicht in die Arterien.

Warum „weiche“ Ablagerungen gefährlicher sind als alte Verkalkungen

Im allgemeinen Sprachgebrauch ist „Gefäßverkalkung“ ein Synonym für verengte Arterien. Aus Sicht des Gefäßspezialisten ist diese Sichtweise jedoch gefährlich vereinfachend. Denn nicht jede Plaque ist gleich. Wir unterscheiden fundamental zwischen stabilen, stark verkalkten Plaques und instabilen, „weichen“ Plaques. Paradoxerweise ist oft nicht die alte, harte Verkalkung die größte Gefahr, sondern die junge, weiche und entzündete Ablagerung.

Eine stabile Plaque hat eine dicke, fibröse Kappe und einen verhärteten, kalzifizierten Kern. Sie kann zwar den Blutfluss behindern und zu Symptomen wie Angina Pectoris führen, aber sie ist relativ robust. Eine instabile, weiche Plaque hingegen hat eine dünne, rissige Kappe und einen großen, lipidreichen, fast flüssigen Kern voller Entzündungszellen. Sie ist wie ein unterirdischer Vulkan, der jederzeit ausbrechen kann. Wenn diese dünne Kappe reißt (Plaqueruptur), kommt der hochthrombogene Inhalt in Kontakt mit dem Blut. Der Körper reagiert sofort mit der Bildung eines Blutgerinnsels (Thrombus), um die „Verletzung“ zu heilen. Dieses Gerinnsel kann das Gefäß jedoch schlagartig und vollständig verschließen – die Folge ist ein Herzinfarkt oder Schlaganfall. Tatsächlich ist diese Plaqueruptur die Ursache für die Mehrheit aller akuten Gefäßverschlüsse.

Die stabile, verkalkte Plaque ist wie ein alter, erloschener Vulkan, während die weiche, entzündete Plaque ein aktiver Vulkan kurz vor dem Ausbruch ist.

– Dr. Tsantilas, Gefässklinik Augsburg Leitfaden

Diese Erkenntnis verändert die Therapieziele fundamental. Es geht nicht mehr nur darum, das Wachstum von Plaques zu stoppen, sondern vor allem darum, instabile Plaques zu stabilisieren. Genau das ist die Hauptwirkung von Statinen: Sie senken nicht nur das LDL-Cholesterin, sondern wirken stark entzündungshemmend und helfen, die Kappe der Plaques zu verdicken und zu festigen. Auch ein gesunder Lebensstil mit einer entzündungsarmen Ernährung (wenig Zucker, gesunde Fette), regelmäßiger Bewegung und Rauchverzicht zielt genau darauf ab: die „heißen“, aktiven Plaques zu „kühlen“ und in stabile, „kalte“ Plaques umzuwandeln. Ein wichtiger Blutwert, der die systemische Entzündung und damit das Risiko für eine Plaque-Ruptur anzeigt, ist das hochsensitive C-reaktive Protein (hs-CRP). Bei rund 90 Prozent der Patienten mit dauerhaften Durchblutungsstörungen ist die Arteriosklerose die Ursache, wobei die Stabilität der Plaques über das akute Risiko entscheidet.

Die reine Existenz von Kalk in den Adern ist also nicht das ganze Bild. Die weitaus wichtigere Frage ist: Wie aktiv und entzündet sind diese Ablagerungen? Die Stabilisierung dieser „Zeitbomben“ ist der Schlüssel zur Verhinderung akuter Katastrophen.

Das vergessene Fett: Warum sollten Sie Lipoprotein(a) einmal im Leben messen?

Jahrelang konzentrierte sich die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf das LDL-Cholesterin, das sogenannte „schlechte“ Cholesterin. Doch immer mehr rückt ein anderer, oft übersehener Blutfettwert in den Fokus, der für viele Menschen das fehlende Puzzleteil zur Erklärung ihres Risikos ist: das Lipoprotein(a), kurz Lp(a). Es wird auch das „klebrige Cholesterin“ genannt.

Lp(a) ist ein Partikel im Blut, das einem LDL-Partikel sehr ähnlich ist, aber eine zusätzliche, besondere Eiweißkomponente besitzt, das Apolipoprotein(a). Diese Struktur verleiht ihm zwei besonders gefährliche Eigenschaften:

  1. Atherogen: Wie LDL kann es sich in der Gefäßwand ablagern und die Plaquebildung fördern.
  2. Prothrombotisch: Es ähnelt in seiner Struktur dem Plasminogen, einem Molekül, das für die Auflösung von Blutgerinnseln wichtig ist. Lp(a) kann dessen Funktion stören und somit die Neigung zur Bildung von Blutgerinnseln erhöhen.

Das Tückische am Lp(a) ist, dass seine Konzentration im Blut zu über 90 % genetisch festgelegt und durch Lebensstil oder Ernährung kaum beeinflussbar ist. Ein Mensch kann schlank sein, sich gesund ernähren, nicht rauchen und trotzdem aufgrund eines hohen Lp(a)-Wertes ein stark erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall haben – oft schon in jungen Jahren. Genetische Faktoren spielen eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Arteriosklerose. Ein erhöhter Lp(a)-Spiegel erklärt, warum manche Familien gehäuft von Herz-Kreislauf-Erkrankungen betroffen sind, obwohl sie scheinbar gesund leben.

Da der Wert weitgehend stabil ist, empfehlen Experten, ihn mindestens einmal im Leben bestimmen zu lassen. Dies ist besonders wichtig für Menschen mit einer familiären Vorgeschichte von frühen Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder bei denen trotz gut eingestellter anderer Risikofaktoren die Arteriosklerose fortschreitet. Zwar gibt es noch keine zugelassene medikamentöse Therapie, die spezifisch das Lp(a) senkt (auch wenn sich vielversprechende Substanzen in der Entwicklung befinden), aber die Kenntnis eines hohen Wertes hat eine enorme Konsequenz für die Behandlungsstrategie: Alle anderen modifizierbaren Risikofaktoren müssen dann umso aggressiver therapiert werden. Dies bedeutet eine konsequente Senkung des LDL-Cholesterins (oft auf Werte unter 70 mg/dl oder sogar noch tiefer), eine strikte Blutdruckeinstellung und die absolute Vermeidung von Risikofaktoren wie dem Rauchen. Das Wissen um den Lp(a)-Wert ist somit ein mächtiges Instrument für eine personalisierte Risikoprävention.

Sprechen Sie Ihren Arzt gezielt auf eine Messung des Lipoprotein(a) an. Es könnte der entscheidende Hinweis sein, um Ihr persönliches Risiko korrekt einzuschätzen und die notwendigen präventiven Schritte mit der gebotenen Konsequenz einzuleiten.

Warum Ihr „gesundes“ Vollkornbrot den Blutdruck in die Höhe treibt

Vollkornprodukte gelten als Inbegriff einer gesunden Ernährung. Sie liefern Ballaststoffe, Vitamine und Mineralien. Doch für einen Teil der Bevölkerung könnte ausgerechnet das tägliche „gesunde“ Brot zu einer chronischen Belastung für die Gefäße werden, die sich in einem erhöhten Blutdruck manifestiert. Der Grund liegt nicht im Vollkorn an sich, sondern in einer individuellen Reaktion auf bestimmte Getreideproteine wie Gluten oder andere Komponenten, die eine niedrigschwellige Entzündungsreaktion im Darm auslösen.

Diese „Darm-Gefäß-Achse“ ist ein aufstrebendes Feld in der medizinischen Forschung. Eine chronische Entzündung im Darm, selbst wenn sie keine offensichtlichen Verdauungsbeschwerden verursacht, kann zu einem „Leaky Gut“ führen. Dabei wird die Darmbarriere durchlässiger, sodass unvollständig verdaute Nahrungsbestandteile und entzündliche Botenstoffe in den Blutkreislauf gelangen. Dieses Phänomen löst eine systemische Entzündungsreaktion im ganzen Körper aus, die auch die empfindliche Innenwand der Blutgefäße (das Endothel) erfasst. Die Folge: Das Endothel wird steif, die Produktion von gefäßerweiterndem Stickstoffmonoxid sinkt und der Blutdruck steigt. Arteriosklerose ist ein Prozess, der bereits in der Kindheit beginnen kann, und die Ernährung spielt dabei eine zentrale Rolle.

Dieser Effekt ist höchst individuell. Während die meisten Menschen Vollkornbrot gut vertragen, reagieren andere sensibel darauf, ohne es zu wissen. Typische Anzeichen können eine subtile Müdigkeit nach dem Essen, ein Gefühl der Aufgeblähtheit oder eben ein unerklärlich schwankender oder erhöhter Blutdruck sein. In Deutschland leiden schätzungsweise vier Millionen Menschen an den Folgen der Arteriosklerose, und für einen Teil von ihnen könnte eine unerkannte Nahrungsmittelsensitivität ein treibender Faktor sein. Es lohnt sich also, den eigenen Körper genau zu beobachten.

Ihr Aktionsplan: Der persönliche Brot-Belastungstest

  1. Ausgangswert messen: Messen Sie Ihren Blutdruck in einer ruhigen Minute vor dem Verzehr Ihres üblichen (Vollkorn-)Brotes. Notieren Sie den Wert.
  2. Mahlzeit einnehmen: Essen Sie eine normale Portion Ihres Brotes, idealerweise ohne viele andere Komponenten, die das Ergebnis verfälschen könnten.
  3. Nachmessung durchführen: Messen Sie Ihren Blutdruck erneut 60 bis 90 Minuten nach der Mahlzeit.
  4. Energielevel beobachten: Achten Sie darauf, wie Sie sich fühlen. Fühlen Sie sich energiegeladen und fit oder eher müde und abgeschlagen?
  5. Ergebnis interpretieren: Stellen Sie einen wiederholten Anstieg des systolischen Blutdrucks um mehr als 10-15 mmHg oder eine deutliche Müdigkeit fest? Dies könnte ein Hinweis auf eine individuelle Unverträglichkeit sein. In diesem Fall lohnt es sich, versuchsweise auf andere Brotsorten (z.B. reines Roggen-Sauerteigbrot oder glutenfreie Alternativen) umzusteigen und den Test zu wiederholen.

Dieser einfache Selbsttest ersetzt keine ärztliche Diagnose, kann aber ein wertvoller erster Schritt sein, um potenziellen Triggern für Bluthochdruck und Gefäßstress auf die Spur zu kommen. Es geht darum, zum Detektiv in eigener Sache zu werden und herauszufinden, was den eigenen Gefäßen wirklich guttut.

Das Wichtigste in Kürze

  • Glykation: Nicht nur Fett, sondern vor allem Zucker schädigt die Gefäßwände durch „Verzuckerung“, was zu mikroskopischen Rissen und Entzündungen führt.
  • Plaque-Stabilität: Nicht die Existenz von Kalk, sondern die Stabilität der Plaque ist entscheidend. Weiche, entzündete Plaques sind gefährlicher als alte, harte Verkalkungen.
  • Kalzium-Paradoxon: Vitamin K2 und Magnesium sind entscheidend, um Kalzium aus den Arterien in die Knochen zu leiten und so der Verkalkung entgegenzuwirken.

Ohne Kontrastmittel vs. mit: Welche Untersuchung brauchen Sie wirklich?

Wenn es um die bildgebende Diagnostik des Herzens mittels Computertomographie (CT) geht, herrscht oft Verwirrung über die verschiedenen Methoden. Die beiden gängigsten Verfahren sind das CT ohne Kontrastmittel zur Bestimmung des Kalzium-Scores (CAC) und das CT mit Kontrastmittel, die sogenannte CT-Koronarangiographie (CCTA). Beide haben ihre Berechtigung, beantworten aber fundamental unterschiedliche Fragen. Die Wahl der richtigen Untersuchung hängt ganz von Ihrer individuellen Situation und Symptomatik ab.

Das CT ohne Kontrastmittel (CAC-Score) ist eine reine Vorsorgeuntersuchung. Wie bereits besprochen, quantifiziert es die Menge des bestehenden Kalks in den Herzkranzgefäßen. Es ist ein exzellenter Test zur Risikoeinschätzung für symptomfreie Personen. Es zeigt, *ob* und *wie viel* Arteriosklerose vorhanden ist, aber es kann keine Aussage darüber treffen, ob diese Plaques zu relevanten Engstellen (Stenosen) führen. Es ist wie eine Bestandsaufnahme des „geologischen“ Alters Ihrer Gefäße.

Die CT-Koronarangiographie (CCTA) hingegen ist eine diagnostische Untersuchung bei bestehenden Symptomen (z.B. Brustschmerzen, Luftnot) oder einem sehr hohen Risikoprofil. Hier wird ein jodhaltiges Kontrastmittel in eine Armvene gespritzt, das die Herzkranzgefäße auf den CT-Bildern sichtbar macht. Diese Methode kann nicht nur verkalkte, sondern auch die gefährlichen weichen, nicht-verkalkten Plaques darstellen. Vor allem aber kann sie den Blutfluss visualisieren und exakt zeigen, *wo* sich Engstellen befinden und wie hochgradig diese sind. Sie ersetzt in vielen Fällen den invasiven Herzkatheter. Die Strahlenbelastung ist etwas höher als beim reinen CAC-Score, aber mit modernen Geräten sehr gering. Seit Anfang 2024 ist die CCTA unter bestimmten Voraussetzungen auch für gesetzlich Versicherte eine Kassenleistung, was ihre Bedeutung unterstreicht.

Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten Unterschiede zusammen und dient als Entscheidungshilfe, wie eine aktuelle vergleichende Analyse zeigt.

CT ohne vs. mit Kontrastmittel – Entscheidungshilfe
Kriterium CT ohne Kontrastmittel (CAC-Score) CT mit Kontrastmittel (Koronar-Angiographie)
Zweck Risiko-Einschätzung Exakte Lokalisation von Engstellen
Indikation Symptomfrei mit Risikofaktoren Brustschmerzen/Angina pectoris
Strahlenbelastung Niedrig (ca. 1 mSv) Höher (3-5 mSv)
Kostenübernahme Bei Früherkennung weiter IGeL Seit 2024 bei Indikation Kassenleistung

Der nächste logische Schritt ist nicht, blind eine Untersuchung zu fordern, sondern diese Erkenntnisse als Grundlage für ein fundiertes Gespräch mit Ihrem Hausarzt oder Kardiologen zu nutzen. Fragen Sie gezielt, welche Methode basierend auf Ihrem Risikoprofil und eventuellen Symptomen die meiste Klarheit bringen würde, um die bestmögliche Strategie für Ihre Gefäßgesundheit zu entwickeln.

Geschrieben von Dr. Thomas Hartmann, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie mit über 20 Jahren Erfahrung in klinischer Diagnostik und interventioneller Therapie. Als Oberarzt an einem großen Herzzentrum ist er spezialisiert auf Herzinsuffizienz, Bluthochdruckmanagement und moderne bildgebende Verfahren.