Veröffentlicht am März 12, 2024

Ein modernes Herz-CT kann oft präzise und endgültige Antworten über Ihre Herzgesundheit liefern und damit einen invasiven Herzkatheter unnötig machen.

  • Ein Kalkscore von Null bedeutet eine extrem hohe Wahrscheinlichkeit, in den nächsten 5 Jahren keinen Herzinfarkt zu erleiden.
  • Modernste CT-Technik reduziert die Strahlenbelastung auf ein Minimum und liefert selbst bei Verkalkungen klare Bilder.
  • Seit 2024 wird die Untersuchung für viele Patienten mit mittlerem Risiko von den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) in Deutschland übernommen.

Empfehlung: Sprechen Sie mit Ihrem Kardiologen, ob ein CT der richtige diagnostische Entscheidungspfad für Ihr persönliches Risikoprofil ist.

Brustschmerzen, ein Engegefühl oder einfach nur die Sorge ums Herz – diese Symptome führen viele Patienten in meine Praxis. Die erste Assoziation ist oft der Herzkatheter: ein invasiver Eingriff, der zwar als Goldstandard gilt, aber verständlicherweise mit Respekt und auch Ängsten verbunden ist. Viele fragen sich: Muss das wirklich sein? Gibt es keine schonendere Alternative? Die Antwort lautet heute in vielen Fällen: Ja, die gibt es.

Die moderne Kardiologie hat einen gewaltigen Sprung nach vorne gemacht. Anstatt pauschal zur invasiven Diagnostik zu greifen, können wir heute auf eine hochpräzise, nicht-invasive Methode zurückgreifen: die Computertomographie des Herzens, auch Herz-CT oder Kardio-CT genannt. Doch die Diskussion dreht sich nicht darum, eine Methode gegen die andere auszuspielen. Der wahre Fortschritt liegt in der diagnostischen Präzision und der Möglichkeit zur exakten Risikostratifizierung. Es geht darum, für Sie als Patient den individuell richtigen Weg zu finden.

Aber wenn die landläufige Meinung ist, nur der Katheter bringe Gewissheit, wie können wir dann einem CT-Bild vertrauen? Die eigentliche Revolution liegt im Detail: Es geht nicht mehr nur darum, eine Verengung zu finden, sondern das individuelle Risiko eines zukünftigen Herzinfarkts zu bestimmen. Genau hier entfaltet das Herz-CT seine Stärke, indem es uns erlaubt, die Herzkranzgefäße sichtbar zu machen, ohne einen Katheter in Ihren Körper einführen zu müssen.

Dieser Artikel führt Sie durch die entscheidenden Fragen, die wir als Kardiologen gemeinsam mit Ihnen beantworten. Wir beleuchten, wann ein CT nicht nur eine Alternative, sondern die überlegene Methode ist, welche Informationen es liefert und für wen es sich wirklich lohnt. Ziel ist es, Ihnen das Wissen an die Hand zu geben, um eine fundierte Entscheidung für Ihre Herzgesundheit treffen zu können.

Um Ihnen eine klare Übersicht zu geben, haben wir diesen Artikel in logische Abschnitte gegliedert. Jeder Teil beantwortet eine zentrale Frage auf dem Weg zur Entscheidung für oder gegen ein Herz-CT und hilft Ihnen, die modernen Möglichkeiten der Herzdiagnostik besser zu verstehen.

Warum ein „sauberes“ CT Ihnen 5 Jahre Sicherheit vor einem Herzinfarkt gibt

Die vielleicht stärkste Aussagekraft des Herz-CTs liegt in einem einzigen Wert: dem Agatston-Score, oft auch einfach Kalkscore genannt. Diese Untersuchung kommt ohne Kontrastmittel aus und misst die Menge an Kalk in den Herzkranzgefäßen. Ein Ergebnis von Null ist dabei mehr als nur ein guter Befund – es ist eine extrem starke prognostische Aussage. Man spricht hier von der „Power of Zero“. Für Sie als Patient bedeutet das eine enorme Beruhigung.

Wenn Ihr Kalkscore null ist, bedeutet das, dass in Ihren Herzkranzgefäßen keine „harten“, also verkalkten, Plaques nachweisbar sind. Die Wahrscheinlichkeit, in den folgenden fünf bis zehn Jahren einen Herzinfarkt zu erleiden, ist dann verschwindend gering. Aktuelle deutsche Studien zur Koronarkalkmessung zeigen, dass das Risiko für schwere kardiale Ereignisse bei unter 5 % liegt, wenn der Kalkscore null beträgt. Dies gibt uns als Ärzten eine solide Basis, von einer invasiven Diagnostik wie dem Herzkatheter abzuraten und stattdessen auf die Kontrolle der Risikofaktoren zu setzen.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) leitet daraus klare Empfehlungen ab. Ein Kalkscore von Null bedeutet, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % keine relevante koronare Herzkrankheit (KHK) vorliegt. Dennoch ist dies kein Freibrief. Bestehende Risikofaktoren wie Bluthochdruck, hohe Cholesterinwerte oder Diabetes müssen weiterhin konsequent behandelt und kontrolliert werden. Bei fortbestehenden Risikofaktoren wird eine Kontrolluntersuchung nach etwa fünf Jahren empfohlen, um die Entwicklung im Blick zu behalten.

Dieser Befund ist somit ein mächtiges Werkzeug der modernen Präventivmedizin, das uns hilft, unnötige invasive Eingriffe zu vermeiden und die Behandlung gezielt auf die Patienten zu konzentrieren, die sie wirklich benötigen.

Warum das CT bei „harten“ Adern an seine Grenzen stößt und Artefakte bildet

So aussagekräftig ein niedriger Kalkscore ist, so herausfordernd kann ein hoher Wert für die Diagnostik sein. Massive Verkalkungen sind die Achillesferse der CT-Angiographie (CTA), bei der Kontrastmittel zur Darstellung der Gefäßinnenräume verwendet wird. Der Grund liegt in einem physikalischen Phänomen, das als „Blooming-Artefakt“ oder „Überstrahlungseffekt“ bekannt ist. Der sehr dichte Kalk „überstrahlt“ im CT-Bild das umliegende Gewebe und das Innere des Gefäßes, das wir eigentlich beurteilen wollen.

Diese Artefakte lassen die Verkalkungen größer und die Gefäßverengung (Stenose) schlimmer erscheinen, als sie tatsächlich ist. In der Praxis kann das bedeuten, dass wir eine hochgradige Stenose vermuten, obwohl das Gefäß in Wirklichkeit noch ausreichend durchgängig ist. Das kann zu einer falschen Therapieentscheidung führen. Es ist eine der Situationen, in denen der Herzkatheter seine Stärke ausspielt, da er das Gefäß von innen darstellt und den Grad der Einengung direkt messen kann.

Makroaufnahme von Blooming-Artefakten bei verkalkten Koronararterien im CT-Bild

Glücklicherweise hat die Technologie enorme Fortschritte gemacht, um dieses Problem zu minimieren. Moderne Gerätegenerationen wie das Dual-Source-CT oder das ultraschnelle Photon-Counting-CT können diese Artefakte deutlich reduzieren. Sie arbeiten mit höherer Geschwindigkeit und unterschiedlichen Röntgenenergien, was eine bessere Differenzierung zwischen Kalk und dem mit Kontrastmittel gefüllten Gefäßlumen ermöglicht. Die Verfügbarkeit dieser High-End-Geräte ist in Deutschland allerdings noch auf wenige spezialisierte Zentren beschränkt.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick, wie sich die CT-Generationen bei der Darstellung von verkalkten Gefäßen unterscheiden.

Vergleich von CT-Typen bei Verkalkungen
CT-Typ Strahlenbelastung Bildqualität bei Kalk Verfügbarkeit Deutschland
Standard 64-Zeilen 5-10 mSv Moderate Artefakte Weit verbreitet
Dual-Source CT <1 mSv Reduzierte Artefakte Nur 3-4 Zentren
Photon-Counting <0.5 mSv Minimale Artefakte Charité, Uniklinik Freiburg

Für Sie als Patient ist es wichtig zu wissen: Ein hoher Kalkscore bedeutet nicht automatisch, dass eine CT-Angiographie sinnlos ist. Aber die Untersuchung sollte an einem Zentrum mit moderner Gerätetechnik und hoher Expertise durchgeführt werden, um eine präzise Diagnose sicherzustellen.

Ohne Kontrastmittel vs. mit: Welche Untersuchung brauchen Sie wirklich?

Eine der häufigsten Fragen von Patienten ist, ob sie die Untersuchung „mit oder ohne Kontrastmittel“ benötigen. Die Antwort hängt ganz von der klinischen Fragestellung ab. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Untersuchungen mit verschiedenen Zielen: die Kalkscore-Messung (nativ, ohne Kontrastmittel) und die CT-Angiographie (CTA, mit Kontrastmittel).

Die Kalkscore-Messung dient der Risikostratifizierung bei Patienten ohne eindeutige Symptome, aber mit Risikofaktoren (z. B. Bluthochdruck, familiäre Belastung). Sie beantwortet die Frage: „Wie hoch ist mein persönliches Risiko für einen Herzinfarkt in den nächsten Jahren?“ In Deutschland ist dies meist eine individuelle Gesundheitsleistung (IGeL), die zwischen 250 und 450 Euro kostet.

Moderner CT-Untersuchungsraum mit Kontrastmittel-Injektionssystem

Die CT-Angiographie (CTA) hingegen wird eingesetzt, wenn bereits ein konkreter Verdacht auf eine relevante Verengung der Herzkranzgefäße besteht, z. B. bei typischen Brustschmerzen (Angina Pectoris). Hier lautet die Frage: „Liegt eine relevante Stenose vor, die die Symptome erklärt?“ Seit einer wichtigen Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses ist die CTA seit Januar 2024 im GKV-Leistungskatalog für Patienten mit einer niedrigen bis mittleren Vortestwahrscheinlichkeit (15-50 %) für eine KHK. Das bedeutet, dass die Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Vor einer Kontrastmittelgabe müssen immer die Nierenfunktion (Kreatininwert) und die Schilddrüsenfunktion (TSH-Wert) im Blut überprüft werden.

Der Entscheidungsweg, welche Untersuchung für Sie die richtige ist, folgt einer klaren Logik:

  • Unklares Risikoprofil, keine klaren Symptome: Hier ist die Kalkscore-Messung (ohne Kontrastmittel) als IGeL-Leistung sinnvoll, um das individuelle Risiko besser einzuschätzen.
  • Verdacht auf KHK (z. B. Brustschmerzen, auffälliges Belastungs-EKG): Hier ist die CT-Angiographie (mit Kontrastmittel) die Methode der Wahl und wird bei entsprechender Indikation von der GKV bezahlt.

Diese neue Regelung in Deutschland ist ein Meilenstein, da sie vielen Patienten einen schonenden und zugleich hochpräzisen diagnostischen Weg ermöglicht und den Herzkatheter für die Fälle reserviert, in denen er therapeutisch notwendig ist.

Warum muss Ihr Herzschlag unter 60 sein und wie schaffen wir das kurzfristig?

Für ein gestochen scharfes Bild des Herzens im CT gibt es eine entscheidende Voraussetzung: ein ruhiger und regelmäßiger Herzschlag. Man kann es sich vorstellen wie beim Fotografieren eines schnellen Objekts – bei langer Belichtungszeit verwischt das Bild. Das Herz ist ein ständig bewegtes Organ, und um die feinen Herzkranzgefäße scharf abzubilden, muss die Untersuchung in einer Phase relativer Ruhe stattfinden. Idealerweise sollte die Herzfrequenz unter 60 Schlägen pro Minute (bpm) liegen.

Viele Patienten haben in der ungewohnten Situation einer Untersuchung oder auch generell eine höhere Herzfrequenz. Das ist vollkommen normal und kein Hindernis. Wir Kardiologen haben bewährte Methoden, um die Frequenz kurzfristig und sicher für die Dauer des Scans zu senken. Das Standardprotokoll in deutschen Radiologie- und Kardiologiepraxen sieht die Gabe von sogenannten Betablockern vor. Je nach Situation und Ausgangsfrequenz können diese Medikamente etwa eine Stunde vor der Untersuchung in Tablettenform oder, für eine schnellere Wirkung, direkt vor dem Scan intravenös über eine Vene verabreicht werden.

Praxisbeispiel: Standardprotokoll zur Frequenzsenkung

Ein 55-jähriger Patient mit einer Ausgangsherzfrequenz von 80 bpm kommt zur geplanten Herz-CTA. Nach Ausschluss von Kontraindikationen werden ihm intravenös kleine Dosen eines kurzwirksamen Betablockers verabreicht. Innerhalb weniger Minuten sinkt die Herzfrequenz auf stabile 58 bpm. Der Scan kann mit exzellenter Bildqualität durchgeführt werden. Die Wirkung des Medikaments lässt kurz nach der Untersuchung wieder nach.

Die Notwendigkeit einer aggressiven Frequenzsenkung hängt jedoch stark von der verwendeten CT-Generation ab. Während ältere 64-Zeilen-Scanner eine sehr niedrige Frequenz benötigen, sind moderne Geräte wie Dual-Source- oder Wide-Detector-CTs deutlich toleranter.

CT-Technologie und Herzfrequenz-Anforderungen
CT-Generation Max. Herzfrequenz Betablocker nötig?
64-Zeilen-CT <60 bpm Meist ja
Dual-Source CT <75 bpm Oft nicht
Wide-Detector CT <75 bpm Selten

Die medikamentöse Vorbereitung ist also ein sicherer und etablierter Teil der Untersuchung, der es uns ermöglicht, die bestmögliche Bildqualität für eine zuverlässige Diagnose zu erzielen.

High-Pitch-Technik: Wie ein Herz-Scan heute mit weniger Strahlung als ein Transatlantikflug gelingt

Die Angst vor der Strahlenbelastung ist eine der größten Sorgen von Patienten bei CT-Untersuchungen. Diese Sorge ist historisch begründet, aber dank technologischer Revolutionen heute in Bezug auf das Herz-CT weitgehend unbegründet. Moderne CT-Scanner nutzen ultraschnelle Untersuchungsprotokolle, wie die sogenannte „High-Pitch-Technik“, die die Strahlenexposition drastisch reduziert haben.

Bei dieser Technik bewegt sich der Untersuchungstisch extrem schnell durch den CT-Ring, während die Röntgenröhren mit hoher Geschwindigkeit rotieren. Der gesamte Datensatz des Herzens kann so innerhalb eines einzigen Herzschlags erfasst werden. Das Ergebnis ist eine massive Reduktion der Strahlendosis. Aktuelle Daten zeigen, dass moderne Scanner häufig Dosen um 1 Millisievert (mSv) erreichen. Um diese Zahl einzuordnen: Die durchschnittliche jährliche natürliche Strahlenbelastung in Deutschland beträgt etwa 2,1 mSv. Ein Herz-CT hat damit eine geringere Strahlenbelastung als ein Jahr Leben in vielen Regionen Deutschlands.

Ein noch griffigerer Vergleich ist die Luftfahrt: Ein Transatlantikflug von Deutschland in die USA ist mit einer kosmischen Strahlung von etwa 0,1 mSv verbunden. Ein modernes Herz-CT mit Niedrigdosis-Protokoll entspricht also in etwa der Strahlenbelastung von wenigen solcher Flüge – ein sehr geringes „Strahlen-Budget“ für eine potenziell lebensrettende Diagnose. Dieser Aspekt wird von Experten immer wieder betont.

Münchner sind einer natürlichen jährlichen Strahlenbelastung von etwa 2 mSv ausgesetzt; im Bayerischen Wald sind es schon 4 mSv.

– Prof. Dr. Sigmund Silber, Kardiologische Praxis München

Die Strahlenbelastung ist somit bei modernen Geräten und korrekter Anwendung kein Argument mehr gegen ein indiziertes Herz-CT. Die diagnostische Sicherheit, die gewonnen wird, überwiegt das minimale Strahlenrisiko bei Weitem.

Kalk in den Adern messen: Für wen lohnt sich das CT-Screening der Herzkranzgefäße?

Die Messung des Koronarkalks ist ein reines Screening-Verfahren. Es richtet sich an Menschen, die (noch) keine Symptome einer Herzerkrankung haben, aber aufgrund ihres Risikoprofils unsicher sind. Die zentrale Frage lautet: Wer profitiert wirklich von dieser Information? Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) hat hierzu klare Empfehlungen formuliert, um zu verhindern, dass die Untersuchung wahllos durchgeführt wird.

Ein Screening ist vor allem für Personen mit einem mittleren kardiovaskulären Risiko sinnvoll. In diese Gruppe fallen typischerweise:

  • Männer über 45 Jahre und Frauen über 55 Jahre mit zusätzlichen Risikofaktoren.
  • Personen mit einer positiven Familienanamnese, d.h. wenn ein Herzinfarkt bei direkten Verwandten in jungem Alter auftrat (Vater <55 Jahre, Mutter <65 Jahre).
  • Patienten mit Risikofaktoren wie leicht erhöhtem Blutdruck, Cholesterin oder Raucher in der Vorgeschichte.

Zur Einschätzung des individuellen Risikos werden oft Punktesysteme wie der PROCAM-Score verwendet. Ein mittleres Risiko entspricht hier einem 10-Jahres-Risiko für einen Herzinfarkt von 10-20 %. Viele Praxen bieten Online-Rechner zur ersten Orientierung an. Die Kalkscore-Messung gibt bei diesen asymptomatischen Risikopatienten Auskunft über das tatsächliche Herzinfarktrisiko und hilft bei der Entscheidung, ob z.B. eine Therapie mit Cholesterinsenkern (Statinen) begonnen werden sollte. Da es sich um eine präventive Untersuchung ohne direkten Krankheitsverdacht handelt, ist sie in der Regel eine IGeL-Leistung, deren Kosten (ca. 250-450 €) selbst getragen werden müssen.

Ihr persönlicher CT-Check: Bin ich ein Kandidat für das Kalk-Screening?

  1. Risikofaktoren auflisten: Notieren Sie Ihr Alter, Geschlecht und ob Risiken wie Bluthochdruck, Diabetes, Rauchen oder hohe Cholesterinwerte vorliegen.
  2. Familienanamnese prüfen: Gab es Herzinfarkte oder Schlaganfälle bei Ihren Eltern oder Geschwistern vor dem 65. Lebensjahr?
  3. Risiko-Score berechnen: Nutzen Sie einen etablierten Online-Rechner (z.B. PROCAM- oder ESC-Score-Rechner) für eine erste Einschätzung Ihres 10-Jahres-Risikos.
  4. Bisherige Befunde sammeln: Legen Sie aktuelle Blutdruck- und Cholesterinwerte (insbesondere LDL) bereit.
  5. Gezieltes Arztgespräch vorbereiten: Besprechen Sie diese gesammelten Informationen mit Ihrem Hausarzt oder Kardiologen, um die Indikation für ein CT-Screening zu klären.

Das Screening ist also kein Allheilmittel für jedermann, sondern ein hochspezifisches Instrument zur Schärfung der Risikoprognose in einer klar definierten Patientengruppe. Es ermöglicht eine personalisierte Prävention, bevor es überhaupt zu Symptomen kommt.

Unter 115, 70 oder 55? Welcher LDL-Wert gilt für Ihr persönliches Risiko?

Die Bestimmung des Kalkscores ist kein Selbstzweck. Das Ergebnis hat eine direkte und entscheidende Konsequenz für die Therapie, insbesondere für die Behandlung mit Cholesterinsenkern (Statinen). Der Kalkscore hilft uns, die Zielwerte für das „schlechte“ LDL-Cholesterin individuell und viel präziser festzulegen, als es allein anhand von traditionellen Risikofaktoren möglich wäre.

Die europäischen Leitlinien geben je nach Gesamtrisiko unterschiedliche LDL-Zielwerte vor. Ein Patient mit niedrigem Risiko sollte einen LDL-Wert unter 115 mg/dl anstreben, während ein Patient mit sehr hohem Risiko (z. B. nach einem Herzinfarkt) einen Wert von unter 55 mg/dl erreichen sollte. Der Kalkscore fungiert hier als entscheidender Modifikator. Finden wir bei einem Patienten mit vermeintlich nur mittlerem Risiko einen hohen Kalkscore, stufen wir ihn in eine höhere Risikokategorie ein und passen den LDL-Zielwert entsprechend nach unten an.

Eine Studie zur Primärprävention hat diesen Zusammenhang eindrucksvoll gezeigt: Probanden mit einem nachweisbaren Kalkscore (Agatston-Score ≥1) hatten unter einer Statintherapie ein um 24 % niedrigeres Risiko für schwere kardiale Ereignisse. Probanden mit einem Kalkscore von 0 profitierten hingegen nicht von den Statinen. Der Kalkscore sagt also den Nutzen einer Statintherapie voraus.

Die folgende Tabelle zeigt beispielhaft, wie der Kalkscore die LDL-Zielwerte beeinflusst.

LDL-Zielwerte nach Risikogruppe und Kalkscore
Risikogruppe Kalkscore (Agatston) LDL-Zielwert (mg/dl)
Niedrig 0 <115
Mittel 1-100 <100
Hoch >100 <70
Sehr hoch (z.B. + Diabetes) >400 <55

Das bedeutet für Sie: Das Ergebnis des Herz-CTs liefert nicht nur eine Momentaufnahme, sondern ist die Grundlage für eine langfristige, auf Sie zugeschnittene Präventionsstrategie, um Ihr Herzinfarktrisiko aktiv zu senken.

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Herz-CT ist eine präzise, nicht-invasive Methode, um die Herzkranzgefäße zu beurteilen und das Herzinfarktrisiko zu bestimmen.
  • Ein Kalkscore von Null schließt eine relevante Herzerkrankung mit hoher Sicherheit für viele Jahre aus und kann einen Herzkatheter ersparen.
  • Moderne CT-Geräte bieten exzellente Bildqualität bei minimaler Strahlenbelastung, oft geringer als die jährliche natürliche Strahlung.

Wenn Adern falsch abzweigen: Wie 3D hilft, angeborene Fehler sicher zu operieren

Neben der Erkennung von Verengungen durch Arteriosklerose hat das Herz-CT eine weitere, extrem wichtige Domäne: die Darstellung der Anatomie des Herzens und der großen Gefäße. Insbesondere bei angeborenen Koronaranomalien – also wenn Herzkranzgefäße an der falschen Stelle entspringen oder einen ungewöhnlichen Verlauf nehmen – ist die CT-Angiographie dem Herzkatheter oft überlegen.

Solche Anomalien sind selten, können aber, je nach Verlauf, lebensbedrohlich sein und zu einem plötzlichen Herztod bei jungen, sportlichen Menschen führen. Während der Herzkatheter nur das Innere des Gefäßes zweidimensional darstellt, liefert das CT einen dreidimensionalen Datensatz des gesamten Brustkorbs. Daraus können wir am Computer präzise 3D-Modelle des Herzens und der Gefäße rekonstruieren. Diese „Landkarten“ sind für Herzchirurgen von unschätzbarem Wert, um einen potenziell notwendigen operativen Eingriff exakt zu planen.

Die neueste Generation von CT-Scannern, wie die Photon-Counting-Technologie, treibt diese Möglichkeiten auf die Spitze. Selbst bei Patienten mit schweren Verkalkungen, bei denen eine herkömmliche CTA scheitern würde, kann eine präzise anatomische Darstellung gelingen.

Fallbeispiel aus dem Uniklinikum Freiburg

Bei einem Patienten mit sehr schweren Verkalkungen konnte mittels Photon-Counting-CT eine diagnostische Darstellung der Gefäße erreicht werden. Die 3D-Rekonstruktion zeigte eindeutig, dass trotz des vielen Kalks keine relevante Verstopfung vorlag. Ein riskanter Herzkathetereingriff konnte dem Patienten somit erspart bleiben.

Diese technologische Überlegenheit erweitert den Nutzen des CTs erheblich, wie Experten bestätigen.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass mit der neuen CT-Technologie deutlich mehr Patient*innen von einer nicht-invasiven CT-Untersuchung des Herzens profitieren als bisher.

– Prof. Dr. Fabian Bamberg, Universitätsklinikum Freiburg

Das Herz-CT ist also weit mehr als nur ein „Kalk-Scanner“. Es ist ein umfassendes diagnostisches Werkzeug, das uns eine detaillierte, dreidimensionale Sicht auf Ihr Herz ermöglicht und so in vielen Fällen zu mehr Sicherheit und besseren Therapieentscheidungen führt.

Häufige Fragen zum Herz-CT

Geschrieben von Dr. Thomas Hartmann, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie mit über 20 Jahren Erfahrung in klinischer Diagnostik und interventioneller Therapie. Als Oberarzt an einem großen Herzzentrum ist er spezialisiert auf Herzinsuffizienz, Bluthochdruckmanagement und moderne bildgebende Verfahren.