Veröffentlicht am Mai 17, 2024

Die Entscheidung für oder gegen eine Roboter-Herz-OP ist keine Frage der reinen Maschinenpräzision, sondern der Wahl des richtigen Werkzeugs für Ihr individuelles Problem.

  • Minimalinvasive Verfahren sind ein Baukasten: Vom Da Vinci-Roboter über Katheter-Clips (MitraClip) bis zur Kältetherapie (Kryoablation) wird das passende Instrument für Ihr spezifisches Herzproblem gewählt.
  • Die finale Entscheidung trifft in Deutschland nicht der Chirurg allein, sondern ein interdisziplinäres „Herz-Team“, das alle Optionen objektiv bewertet – ein etablierter Qualitätsstandard.

Empfehlung: Verstehen Sie die Logik hinter den Methoden, um ein kompetenter Gesprächspartner für Ihr Herz-Team zu sein, anstatt sich nur auf die Faszination der Technik zu konzentrieren.

Die Diagnose eines Herzleidens, das eine Operation erfordert, ist ein tiefgreifender Einschnitt. In den Gesprächen über die nächsten Schritte fällt dann oft ein Wort, das ebenso fasziniert wie verunsichert: „Roboter“. Die Vorstellung einer Maschine, die mit übermenschlicher Präzision am eigenen Herzen arbeitet, wirft fundamentale Fragen auf. Ist das sicherer? Ist das besser? Und wer hat am Ende wirklich die Kontrolle?

Die gängige Antwort konzentriert sich oft auf die offensichtlichen Vorteile: kleinere Schnitte, weniger Schmerzen, schnellere Genesung und unauffälligere Narben. Doch diese Perspektive greift zu kurz. Sie reduziert eine der komplexesten medizinischen Entscheidungen auf einen simplen Vergleich zwischen einem großen und einem kleinen Schnitt. Die Angst vor einem Kontrollverlust an eine „kalte Maschine“ bleibt dabei oft unausgesprochen im Raum stehen. Die Wahrheit ist jedoch wesentlich differenzierter und letztlich beruhigender.

Der eigentliche Paradigmenwechsel in der modernen Herzmedizin ist nicht der Roboter allein, sondern die Entwicklung eines ganzen interventionellen Baukastensystems. Der Da Vinci-Roboter ist nur eines von vielen hochspezialisierten Werkzeugen darin. Die entscheidende Frage lautet nicht mehr „Roboter ja oder nein?“, sondern: „Welches Instrument aus diesem Hightech-Koffer ist für die Reparatur meines spezifischen Herzproblems das absolut beste?“ Die Antwort darauf findet nicht eine Maschine, sondern ein hochqualifiziertes, menschliches Expertenteam.

Dieser Artikel entschlüsselt für Sie die Logik hinter den modernsten Verfahren der Herzchirurgie. Wir erklären, wann welche Methode zum Einsatz kommt und wie das sogenannte „Herz-Team“ in Deutschland sicherstellt, dass die für Sie optimale Entscheidung getroffen wird. Es geht darum, Ihnen das Wissen an die Hand zu geben, um vom passiven Patienten zum informierten Partner im Dialog über Ihre Gesundheit zu werden.

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Um Ihnen einen klaren Überblick über die verschiedenen Facetten der modernen Herztherapie zu geben, haben wir diesen Artikel in spezifische Themenbereiche gegliedert. Das folgende Inhaltsverzeichnis führt Sie durch die wichtigsten minimalinvasiven Verfahren und den entscheidenden Prozess dahinter.

Brustkorb öffnen oder kleiner Schnitt: Wann ist die große Narbe unvermeidbar?

Die Vorstellung einer klassischen Herzoperation ist untrennbar mit dem Bild einer großen Narbe auf dem Brustbein verbunden. Dieser Eingriff, die sogenannte mediane Sternotomie, bei dem das Brustbein durchtrennt wird, ist nach wie vor der Goldstandard für viele komplexe Eingriffe. Überraschenderweise werden laut Deutschem Ärzteblatt auch heute noch rund 92 % aller Herzoperationen in Deutschland auf diese Weise durchgeführt. Dies liegt daran, dass der offene Zugang dem Chirurgen den direktesten und umfassendsten Blick auf das Herz und die großen Gefäße ermöglicht, was bei komplizierten Bypass-Operationen an mehreren Gefäßen oder bei kombinierten Eingriffen unerlässlich ist.

Gleichzeitig wächst der Wunsch nach schonenderen Verfahren. Die minimalinvasive Chirurgie, die über kleine Schnitte zwischen den Rippen arbeitet, vermeidet die Durchtrennung des Brustbeins. Dies führt nicht nur zu einem besseren kosmetischen Ergebnis, sondern vor allem zu einer schnelleren Heilung und Mobilisierung. Die Stabilität des Brustkorbs bleibt erhalten, was die Genesung erheblich erleichtert. Dieser Wandel wird stark von den Patienten selbst vorangetrieben.

Es entspricht aber unserer Erfahrung, dass sich die Wahrnehmung und die Ansprüche der Patienten geändert haben. Diese wünschen sich immer häufiger ein Therapieverfahren, welches das Brustbein intakt belässt.

– Deutsches Ärzteblatt, Möglichkeiten und Grenzen der minimalinvasiven Herzchirurgie

Die Entscheidung für oder gegen eine Sternotomie ist daher keine Frage von „altmodisch“ versus „modern“. Es ist eine präzise medizinische Abwägung: Ist der Eingriff so fokussiert (z. B. eine einzelne Bypass-Anlage oder ein Mitralklappen-Eingriff), dass er sicher durch ein kleines „Schlüsselloch“ erfolgen kann? Oder erfordert die Komplexität des Herzproblems die maximale Übersicht und Zugänglichkeit, die nur die offene Operation bieten kann? Die Sicherheit und der langfristige Erfolg des Eingriffs haben hierbei immer oberste Priorität.

Herzklappe reparieren ohne OP: Für wen reicht die „Klammer“ durch die Leiste?

Für Patienten mit einer undichten Herzklappe, insbesondere der Mitralklappe, war eine Operation am offenen Herzen lange die einzige Option. Heute existiert mit dem MitraClip-Verfahren eine revolutionäre Alternative, die ganz ohne Öffnung des Brustkorbs auskommt. Bei diesem kathetergestützten Eingriff wird eine kleine Klammer, der „MitraClip“, über ein Blutgefäß in der Leiste bis zum Herzen vorgeschoben. Dort fasst der Kardiologe unter Ultraschallkontrolle die beiden Segel der undichten Klappe und verbindet sie, sodass die Undichtigkeit (Insuffizienz) deutlich reduziert wird.

Dieses Verfahren ist ein Paradebeispiel für den interventionellen Baukasten. Es eignet sich vor allem für Patienten, für die eine offene Herz-OP aufgrund von Alter, Begleiterkrankungen oder einem allgemein geschwächten Zustand ein zu hohes Risiko darstellen würde. Die Methode ist extrem schonend und der Patient ist oft schon nach wenigen Tagen wieder mobil. Der Trend zu solchen kathetergestützten Verfahren ist deutlich: Schon 2015 dokumentierte der deutsche Herzbericht 15.573 kathetergestützte Aortenklappenimplantationen (TAVI), ein verwandtes Verfahren für die Aortenklappe.

Um die Präzision dieses Werkzeugs zu verdeutlichen, zeigt die folgende Abbildung den feinen Mechanismus eines solchen Kathetersystems.

Detailaufnahme eines MitraClip-Katheters während eines minimalinvasiven Eingriffs

Wichtig zu verstehen ist, dass die Entscheidung für ein solches Verfahren in Deutschland strengen Qualitätskontrollen unterliegt. Seit 2015 schreibt die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vor, dass solche Eingriffe nur nach einer gemeinsamen Entscheidung des interdisziplinären Herz-Teams erfolgen dürfen. Dieses Team aus Herzchirurgen, Kardiologen und Anästhesisten bewertet jeden Fall individuell und legt fest, ob der Patient von der „Klammer“ mehr profitiert als von einer chirurgischen Reparatur oder einem Klappenersatz.

Eis statt Feuer: Warum der Kälteballon oft sicherer ist als Hitzeverödung

Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung. Unbehandelt kann sie zu Schlaganfällen und Herzschwäche führen. Eine etablierte Behandlungsmethode ist die Katheterablation, bei der gezielt die Bereiche im Herzen verödet werden, die die falschen elektrischen Impulse aussenden. Lange Zeit geschah dies primär durch Hitze (Hochfrequenzstromablation). Eine modernere und oft sicherere Methode ist jedoch die Kryoablation – die Verödung durch Kälte. Bei diesem Verfahren wird ein Ballonkatheter an die Mündung der Lungenvenen im linken Vorhof platziert. Der Ballon wird dann auf bis zu -60°C abgekühlt, wodurch das verantwortliche Gewebe vereist und vernarbt wird. Dies schafft eine elektrische Isolation, die das Vorhofflimmern unterbindet.

Der Vorteil der Kältetherapie liegt in ihrer Effizienz und Sicherheit. Der Ballon passt sich anatomisch gut an die Mündung der Lungenvenen an und kann diese oft mit einer einzigen, kontrollierten Kälteabgabe vollständig isolieren. Dies kann die Prozedurzeit im Vergleich zur punktuellen Hitzeverödung verkürzen und das Risiko von Komplikationen an benachbarten Strukturen wie der Speiseröhre potenziell senken. Die Katheterablation ist mittlerweile ein Routineeingriff, wie die Zahlen zeigen: Allein im Jahr 2022 wurden 107.886 Katheterablationen in Deutschland durchgeführt.

Die Wahl zwischen „Eis“ und „Feuer“ hängt von der spezifischen Anatomie des Patienten und der Art des Vorhofflimmerns ab. Bei der typischen Form (paroxysmales Vorhofflimmern) hat sich der Kälteballon als Standard etabliert. Die hohe Expertise in deutschen Zentren ist dabei ein entscheidender Qualitätsfaktor. Laut Prof. Holger Thiele, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, spricht es für ein hohes Maß an Qualität, dass mehr als die Hälfte der Zentren über 200 solcher Ablationen pro Jahr durchführen, was eine immense Erfahrung sicherstellt.

Diese Eingriffs-Philosophie – die Wahl der passenden Energieform für das beste Ergebnis – ist ein weiteres Beispiel dafür, wie personalisiert die moderne Herzmedizin geworden ist. Es geht nicht um eine überlegene Technologie, sondern um die kluge Anwendung des richtigen Werkzeugs.

Die Kapsel im Herz: Nie wieder Kabelbruch oder Tascheninfektion?

Herzschrittmacher und implantierbare Defibrillatoren (ICDs) sind Lebensretter. Sie überwachen den Herzrhythmus und greifen bei Störungen ein. Klassische Systeme bestehen aus einem Aggregat, das unter die Haut nahe dem Schlüsselbein implantiert wird, und Sonden (Kabeln), die von dort durch die Venen bis ins Herz führen. Diese Sonden sind die Achillesferse des Systems: Sie können über die Jahre brechen, sich verschieben oder zu Infektionen an der „Tasche“ des Aggregats führen. Allein 2023 gab es in Deutschland laut Deutschem Herzbericht über 130.000 Operationen mit kardialen Rhythmusimplantaten, was die Relevanz dieser Technologie unterstreicht.

Eine bahnbrechende Innovation löst dieses Problem: der kardiokapsuläre Herzschrittmacher. Dieses Gerät ist eine winzige, in sich geschlossene Kapsel, kaum größer als eine Vitamintablette. Sie wird über einen Katheter durch die Leistenvene direkt in die rechte Herzkammer implantiert und verankert sich dort mit kleinen Widerhaken. Es gibt keine Sonden und keine Operationstasche unter der Haut. Die gesamte Technik – Batterie und Elektronik – befindet sich in dieser Kapsel.

Die Vorteile sind signifikant: Das Risiko für Kabelbrüche und Tascheninfektionen entfällt komplett. Für den Patienten gibt es keine sichtbare Narbe oder Wölbung unter der Haut und keine Bewegungseinschränkungen des Arms auf der Implantationsseite. Die steigenden Neuimplantationsraten für Herzschrittmacher (+3,0 %) und ICDs (+4,1 %) zeigen den wachsenden Bedarf an diesen Therapien, wobei die kabellosen Systeme eine immer wichtigere Rolle spielen.

Allerdings ist auch diese Technologie nicht für jeden geeignet. Aktuell können die Kapseln nur in der rechten Herzkammer implantiert werden (1-Kammer-System). Patienten, die eine Stimulation in beiden Herzkammern benötigen (z. B. bei Herzschwäche), brauchen weiterhin ein konventionelles System. Wiederum entscheidet das Herz-Team basierend auf dem exakten elektrischen Problem des Herzens, welche Systemarchitektur die beste ist.

Ein Schrittmacher für den Blutdruck: Wie elektrische Impulse die Gefäße weiten

Während Herzschrittmacher den Rhythmus korrigieren, gibt es eine innovative Weiterentwicklung, die auf ein anderes, weit verbreitetes Problem abzielt: den schwer einstellbaren Bluthochdruck (therapieresistente Hypertonie). Wenn selbst eine Kombination aus mehreren Medikamenten den Blutdruck nicht ausreichend senken kann, kommt die Barorezeptor-Aktivierungs-Therapie (BAT) ins Spiel. Sie funktioniert wie ein „Schrittmacher für den Blutdruck“.

Das Prinzip ist faszinierend und nutzt die körpereigene Regulation. An den Halsschlagadern sitzen kleine Sensoren, die Barorezeptoren. Sie messen permanent den Blutdruck und melden ihn ans Gehirn. Bei hohem Druck signalisiert das Gehirn dem Körper, die Gefäße zu weiten und die Herzfrequenz zu senken, um den Druck zu normalisieren. Bei manchen Menschen ist dieser Regelkreis gestört. Hier setzt die BAT an: Ein kleines, unter dem Schlüsselbein implantiertes Gerät, ähnlich einem Herzschrittmacher, sendet über eine feine Elektrode kontinuierlich sanfte elektrische Impulse an die Barorezeptoren an der Halsschlagader.

Diese Stimulation „überzeugt“ den Körper quasi davon, dass der Blutdruck zu hoch sei. Das Gehirn reagiert, als würde es ein starkes körpereigenes Signal erhalten, und aktiviert seine natürlichen Mechanismen zur Blutdrucksenkung: Die Blutgefäße entspannen und weiten sich, das Herz schlägt ruhiger und die Nieren scheiden vermehrt Salz und Wasser aus. Der Blutdruck sinkt – und das auf eine Weise, die den natürlichen Regelkreisen des Körpers folgt, anstatt sie medikamentös zu blockieren.

Dieses Verfahren ist ein hochspezialisiertes Werkzeug aus dem interventionellen Baukasten für eine klar definierte Patientengruppe. Es zeigt eindrucksvoll, wie die moderne Medizintechnik nicht nur Organe repariert, sondern auch komplexe physiologische Systeme intelligent und schonend modulieren kann.

GPS im Körper: Wie überlagern Ärzte Live-Röntgenbilder mit 3D-Modellen?

Hier kommt die Kernkompetenz des Da Vinci-Roboters ins Spiel. Seine oft zitierte Präzision beruht nicht nur darauf, dass er das Zittern der menschlichen Hand eliminiert und Bewegungen verfeinert. Seine wahre Stärke liegt in der Fusion von Bildgebung und Robotik – einer Art Navigationsintelligenz, die dem Chirurgen Superkräfte verleiht. Der Operateur sitzt an einer Konsole, oft mehrere Meter vom Patienten entfernt, und blickt in ein Okular, das ihm eine hochauflösende, zehnfach vergrößerte 3D-Sicht auf das Operationsfeld bietet. Er steuert die Roboterarme mit speziellen Joysticks, und seine Handbewegungen werden zitterfrei und skaliert an die winzigen Instrumente im Körper des Patienten übertragen.

Die eigentliche Magie passiert jedoch, wenn Daten aus verschiedenen Quellen überlagert werden. Vor der Operation wird oft eine hochauflösende Bildgebung wie ein CT oder MRT des Herzens erstellt. Aus diesen Daten wird ein exaktes 3D-Modell des individuellen Herzens des Patienten errechnet. Während der Operation kann dieses 3D-Modell nun digital über das Live-Videobild der Operationskamera gelegt werden. Der Chirurg sieht also nicht nur die Oberfläche des schlagenden Herzens, sondern kann quasi „hindurchschauen“ und sieht die genaue Lage von Herzkranzgefäßen, Klappen oder Tumoren, die von außen nicht sichtbar wären.

Die folgende Aufnahme zeigt einen Chirurgen an der Steuerkonsole, dem Herzstück dieser technologischen Symbiose aus Mensch und Maschine.

Chirurg an der Da Vinci Konsole mit 3D-Visualisierung des Operationsfeldes

Diese Fusion von Live-Bild und 3D-Modell funktioniert wie ein GPS im Körper. Sie ermöglicht es dem Chirurgen, mit extremer Präzision zu navigieren, wichtige Strukturen zu schonen und den Eingriff exakter als je zuvor durchzuführen. Es ist diese Kombination aus perfekter Sicht, zitterfreier Bewegung und datengestützter Navigation, die den Da Vinci-Roboter zu einem unschätzbaren Werkzeug für komplexe, minimalinvasive Eingriffe, wie etwa die Rekonstruktion von Herzklappen oder die Bypass-Chirurgie, macht.

Schutz ohne Medikamente: Wann ist das „Schirmchen“ im Herzen eine Alternative?

Für Patienten mit Vorhofflimmern besteht ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle. Der Grund: Im unregelmäßigen Rhythmus können sich im sogenannten Herzohr (einer kleinen Ausbuchtung am linken Vorhof) Blutgerinnsel bilden. Werden diese ausgeschwemmt, können sie Gefäße im Gehirn blockieren. Die Standardtherapie zur Vorbeugung ist die Einnahme von gerinnungshemmenden Medikamenten, umgangssprachlich „Blutverdünner“ genannt. Doch nicht alle Patienten vertragen diese Medikamente. Bei manchen ist das Blutungsrisiko, beispielsweise durch andere Erkrankungen oder nach schweren Stürzen, zu hoch.

Für diese Patientengruppe gibt es eine geniale mechanische Lösung: den Verschluss des Herzohrs (Left Atrial Appendage, LAA Occlusion). Dabei wird über einen Katheter in der Leistenvene ein kleines „Schirmchen“ oder ein „Stöpsel“ bis ins Herz vorgeschoben und im Eingang des Herzohrs platziert. Dort entfaltet es sich und verschließt diese „blinde Gasse“ dauerhaft. Da sich über 90 % der Gerinnsel bei Vorhofflimmern genau dort bilden, wird das Schlaganfallrisiko drastisch gesenkt – ganz ohne die Notwendigkeit einer lebenslangen Einnahme von Blutverdünnern.

Der Eingriff ist minimalinvasiv und dauert oft weniger als eine Stunde. Nach kurzer Zeit über wächst das körpereigene Gewebe das Schirmchen, sodass es zu einem festen Teil der Herzwand wird. Diese Methode ist ein weiteres perfektes Beispiel für eine patienten-zentrierte Entscheidung aus dem interventionellen Baukasten. Sie löst ein sehr spezifisches Problem für eine klar definierte Patientengruppe, für die die Standardtherapie nicht sicher ist.

Es geht also nicht darum, Medikamente generell zu ersetzen, sondern darum, eine sichere und effektive Alternative anzubieten, wenn die medikamentöse Therapie an ihre Grenzen stößt. Das „Schirmchen“ ist somit kein Konkurrenzprodukt zu Medikamenten, sondern eine wertvolle Ergänzung des therapeutischen Spektrums, die individuell vom Herz-Team in Betracht gezogen wird.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die moderne Herztherapie ist ein Baukasten: Der Roboter ist nur ein Werkzeug neben vielen anderen wie Katheter-Clips, Kälteballons oder kabellosen Schrittmachern.
  • Die Entscheidung für eine Methode ist hochgradig individuell: Sie hängt von Ihrer spezifischen Erkrankung, Ihrer Anatomie und Ihrem allgemeinen Gesundheitszustand ab, nicht von der Verfügbarkeit einer Technologie.
  • Das „Herz-Team“ ist Ihr Sicherheitsnetz: In Deutschland wird die Wahl des Verfahrens, insbesondere bei komplexen Eingriffen, von einem interdisziplinären Team aus Kardiologen und Herzchirurgen gemeinsam getroffen.

Wer entscheidet über Ihr Herz? Warum Chirurg und Kardiologe sich einig sein müssen

Nach der Reise durch die faszinierenden Möglichkeiten der modernen Herzmedizin – vom Roboter über die Katheter-Klammer bis zum Kälteballon – bleibt eine zentrale Frage: Wer trifft am Ende die alles entscheidende Wahl? Die beruhigende Antwort lautet: nicht eine einzelne Person und schon gar nicht eine Maschine. Die Entscheidung liegt in den Händen des Herz-Teams. Dieses Konzept ist der vielleicht wichtigste Qualitäts- und Sicherheitsstandard in der heutigen Kardiologie und Herzchirurgie in Deutschland.

Ein Herz-Team besteht typischerweise aus interventionellen Kardiologen, Herzchirurgen, bildgebenden Spezialisten und Anästhesisten. In einer gemeinsamen Konferenz werden alle Befunde eines Patienten – EKG, Ultraschall, CT/MRT-Bilder, Herzkatheter-Untersuchungen – zusammengetragen und diskutiert. Der Kardiologe bringt seine Expertise für kathetergestützte Verfahren ein, der Chirurg seine für operative Eingriffe. Gemeinsam wägen sie die Vor- und Nachteile jeder denkbaren Option für genau diesen einen Patienten ab. Ist der MitraClip ausreichend oder verspricht eine chirurgische Rekonstruktion einen nachhaltigeren Erfolg? Ist ein minimalinvasiver Bypass mit dem Da Vinci-Roboter machbar oder erfordert die Komplexität der Gefäßveränderungen doch einen offenen Eingriff?

Dieser interdisziplinäre Konsens ist keine freiwillige Übung, sondern, wie bereits erwähnt, für viele innovative Verfahren durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgeschrieben. Er stellt sicher, dass die Entscheidung frei von den Präferenzen einer einzelnen Fachdisziplin ist und einzig und allein dem Wohl des Patienten dient.

Die Diagnostik erfolgt interdisziplinär in sogenannten Heart Teams, so dass für die Betroffenen jederzeit das beste Operationsverfahren festgelegt und durchgeführt wird.

– Herz-Kreislauf-Zentrum Rotenburg, Klinik für Herzchirurgie

Für Sie als Patient bedeutet das ein Höchstmaß an Sicherheit. Ihre Therapie wird nicht zufällig, sondern systematisch und auf Basis des gebündelten Wissens der besten Experten geplant. Die Technologie ist dabei nur das Mittel zum Zweck, das vom Herz-Team souverän ausgewählt wird.

Ihr Fahrplan zum Gespräch mit dem Herz-Team: Punkte, die Sie klären sollten

  1. Optionen abfragen: Fragen Sie aktiv: „Welche Behandlungsalternativen (operativ, interventionell, medikamentös) gibt es für meine spezifische Situation?“
  2. Begründung verstehen: Bitten Sie um eine klare Erklärung, warum das Team Methode X empfiehlt und warum Methode Y oder Z als weniger geeignet eingestuft wird.
  3. Expertise hinterfragen: Erkundigen Sie sich nach der Erfahrung des Zentrums und des Teams mit dem empfohlenen Verfahren („Wie oft führen Sie diesen Eingriff pro Jahr durch?“).
  4. Langzeitergebnis klären: Diskutieren Sie nicht nur den Eingriff selbst, sondern auch die erwartete Lebensqualität und Haltbarkeit des Ergebnisses im Vergleich zu den Alternativen.
  5. Prozess nachvollziehen: Fragen Sie, ob Ihr Fall in einer interdisziplinären Herz-Team-Konferenz besprochen wurde und was das Ergebnis dieser Besprechung war.

Die Erkenntnis, dass eine kollektive, expertenbasierte Entscheidung die Grundlage Ihrer Behandlung bildet, ist der Schlüssel zu Vertrauen und einer erfolgreichen Therapie.

Suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Behandlungsteam nicht als passiver Patient, sondern als informierter Partner. Fragen Sie gezielt nach den Optionen, den Gründen für die empfohlene Strategie und der Expertise des Herz-Teams. Ihre Gesundheit verdient diese Klarheit und die beste verfügbare Lösung aus dem gesamten modernen Baukasten der Herzmedizin.

Geschrieben von Dr. Thomas Hartmann, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie mit über 20 Jahren Erfahrung in klinischer Diagnostik und interventioneller Therapie. Als Oberarzt an einem großen Herzzentrum ist er spezialisiert auf Herzinsuffizienz, Bluthochdruckmanagement und moderne bildgebende Verfahren.