
Entgegen der alten Vorstellung ist der passive Herzpatient, der nur Anweisungen befolgt, ein Risikofaktor für seine eigene Gesundheit.
- Die moderne Herzmedizin in Deutschland erfordert eine Behandlungspartnerschaft, in der Sie als Patient Mitgestalter sind.
- Ihre aktive Beteiligung an Therapieentscheidungen erhöht die Wirksamkeit der Behandlung und Ihre Lebensqualität nachweislich.
Empfehlung: Nutzen Sie Ihre gesetzlichen Rechte und die Werkzeuge des deutschen Gesundheitssystems (z. B. die ePA), um vom Behandlungsobjekt zum souveränen Partner Ihres Kardiologen zu werden.
Herzerkrankungen sind eine der größten gesundheitlichen Herausforderungen unserer Zeit. Allein in Deutschland wurden laut dem aktuellen Deutschen Herzbericht im Jahr 2023 fast 348.300 Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verzeichnet. Angesichts dieser Zahl ist klar: Die bestmögliche Behandlung ist lebenswichtig. Viele Patienten glauben immer noch, ihre Rolle bestünde darin, die Anweisungen des Arztes passiv zu befolgen. Man nimmt seine Medikamente, geht zu den Terminen und hofft auf das Beste. Doch diese Haltung, ein Relikt aus einer längst überholten, paternalistischen Medizinkultur, greift zu kurz und kann im schlimmsten Fall den Therapieerfolg gefährden.
Die moderne Kardiologie in Deutschland vollzieht einen entscheidenden Wandel. Es geht nicht mehr nur um die Verordnung von Medikamenten oder die Planung von Eingriffen. Der Schlüssel zu einer besseren Prognose und einer höheren Lebensqualität liegt in der aktiven Mitwirkung des Patienten. Doch was bedeutet das konkret? Es bedeutet den Wandel vom passiven Befehlsempfänger zum informierten, kompetenten und gleichberechtigten Partner im Behandlungsteam. Es geht um Therapie-Hoheit – die Fähigkeit, die eigene Erkrankung zu verstehen, Behandlungsziele mitzugestalten und fundierte Entscheidungen für die eigene Gesundheit zu treffen.
Dieser Artikel bricht mit der Vorstellung des ohnmächtigen Patienten. Stattdessen zeigen wir Ihnen, warum Ihre aktive Rolle nicht nur wünschenswert, sondern aus medizinischer Sicht essenziell ist. Wir beleuchten, wie Sie sich das nötige Wissen aneignen, wie Sie Ihre gesetzlich verankerten Rechte nutzen und wie Sie durch echtes Selbstmanagement nicht nur Ihre Angst reduzieren, sondern nachweislich Ihre Lebenserwartung steigern. Es ist an der Zeit, die Verantwortung nicht nur abzugeben, sondern sie aktiv mitzugestalten – für ein längeres und besseres Leben mit Ihrer Herzerkrankung.
In den folgenden Abschnitten erfahren Sie, welche konkreten Mechanismen hinter dem Erfolg aktiver Patienten stehen und welche Werkzeuge Ihnen im deutschen Gesundheitssystem zur Verfügung stehen, um diese entscheidende Rolle selbstbewusst auszufüllen.
Inhaltsverzeichnis: Ihr Weg zum aktiven Behandlungspartner
- Warum leben aktiv mitentscheidende Herzpatienten 3 Jahre länger?
- Wie Herzinsuffizienz-Schulungen Sie zum Experten Ihrer eigenen Erkrankung machen
- Arzt entscheidet oder gemeinsame Entscheidung: Was führt zu besserer Therapietreue?
- Wann ist Selbstmanagement überfordert und professionelle Intervention nötig?
- Wie Sie Ihre persönlichen Behandlungsziele mit Ihrem Kardiologen festlegen
- Wie Sie in 12 Wochen die Angst vor dem nächsten Herzinfarkt überwinden
- Wie erkennen Sie selbst, dass Ihre Herztherapie nicht mehr optimal wirkt?
- Medikamenten-Treue: Warum das Vergessen Ihrer Herzpille lebensgefährlich ist
Warum leben aktiv mitentscheidende Herzpatienten 3 Jahre länger?
Die Behauptung, dass aktive Patienten länger leben, ist keine bloße Motivationsfloskel, sondern basiert auf handfesten physiologischen und psychologischen Mechanismen. Der Wandel von einer passiven zu einer aktiven Rolle im Umgang mit der eigenen Herzerkrankung löst eine Kaskade positiver Effekte aus, die sich direkt auf die Lebenserwartung auswirken. Es geht nicht einfach darum, „positiv zu denken“, sondern darum, durch Wissen und Kontrolle die eigene biologische Reaktion auf die Krankheit zu verändern.
Einer der zentralen Faktoren ist die deutlich höhere Therapietreue. Patienten, die in die Entscheidung für eine bestimmte Behandlung eingebunden waren, verstehen deren Zweck und Notwendigkeit. Sie nehmen ihre Medikamente regelmäßiger und zuverlässiger ein, was bei Herzerkrankungen oft über Leben und Tod entscheidet. Doch die Effekte gehen tiefer: Das Gefühl, der Krankheit nicht hilflos ausgeliefert zu sein, reduziert nachweislich chronischen Stress. Dies führt zu einer geringeren Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol, die bekanntermaßen den Blutdruck erhöhen und das Herz-Kreislauf-System belasten. Ein geringerer Stresslevel schont das Herz direkt.
Darüber hinaus entwickeln aktive Patienten eine geschärfte Selbstwahrnehmung. Durch Schulungen und die Auseinandersetzung mit ihrer Krankheit lernen sie, subtile Warnsignale ihres Körpers frühzeitig zu erkennen und richtig zu deuten. Eine leichte Gewichtszunahme oder zunehmende Kurzatmigkeit wird nicht ignoriert, sondern führt zu einer rechtzeitigen Reaktion. Diese Früherkennung von Komplikationen verhindert oft schwere Verläufe und Notaufnahmen. Letztlich führt die aktive Mitgestaltung der Behandlungsziele zu einer spürbar höheren Lebensqualität, die wiederum die Motivation stärkt, den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzuverfolgen. Die Teilnahme an strukturierten Programmen wie den deutschen Disease-Management-Programmen (DMP) der Krankenkassen bündelt all diese Vorteile und schafft einen Rahmen für nachhaltigen Erfolg.
Wie Herzinsuffizienz-Schulungen Sie zum Experten Ihrer eigenen Erkrankung machen
Um ein aktiver Partner sein zu können, benötigen Sie das richtige Rüstzeug: Wissen. Spezialisierte Patientenschulungen, wie sie beispielsweise für Herzinsuffizienz angeboten werden, sind der effektivste Weg, um die nötige System-Kompetenz für den Umgang mit Ihrer Erkrankung aufzubauen. In diesen Kursen werden Sie nicht mit unverständlichem Mediziner-Latein überhäuft, sondern erhalten praktische, alltagstaugliche Fähigkeiten, um Ihre Therapie selbst in die Hand zu nehmen und die Kontrolle zu behalten. Es ist der Übergang vom Laien zum Co-Manager Ihrer Gesundheit.
Das Ziel dieser Schulungen ist es, Sie zu befähigen, die wichtigsten Parameter Ihrer Erkrankung selbstständig zu überwachen. Sie lernen ganz konkret, wie Sie Ihren Blutdruck korrekt messen, Ihr Gewicht täglich kontrollieren und die Ergebnisse dokumentieren. Diese tägliche Routine ist entscheidend, denn eine plötzliche Gewichtszunahme kann beispielsweise ein erstes Anzeichen für eine Wassereinlagerung und eine sich verschlechternde Herzleistung sein. Das Erkennen solcher Zusammenhänge macht Sie zur ersten Verteidigungslinie Ihrer eigenen Gesundheit.

Die Deutsche Herzstiftung ist in Deutschland eine der größten Anlaufstellen für solche Programme. In den Schulungen, deren Kosten bei Teilnahme an einem Disease-Management-Programm (DMP) in der Regel von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden, lernen Patienten auch, Ödeme (Wassereinlagerungen) an den Beinen selbst zu erkennen oder ihre Ernährung herzgesund anzupassen. Dieses praktische Wissen entmystifiziert die Krankheit und gibt Ihnen das sichere Gefühl, zu wissen, was in Ihrem Körper vorgeht und worauf Sie achten müssen. Sie werden vom passiven Objekt der Behandlung zum sachkundigen Subjekt, das aktiv zum Therapieerfolg beiträgt.
Arzt entscheidet oder gemeinsame Entscheidung: Was führt zu besserer Therapietreue?
Die Zeiten, in denen der Arzt als unfehlbare Autorität galt, die allein über die Behandlung entscheidet, sind vorbei. Dieses als paternalistisch bezeichnete Modell weicht zunehmend einer modernen Auffassung: der partizipativen Entscheidungsfindung (PEF), bei der Arzt und Patient als Partner auf Augenhöhe agieren. Dieser Ansatz ist nicht nur ein freundlicher Service, sondern ein im deutschen Patientenrechtegesetz festgeschriebenes Recht. Laut § 630e BGB haben Sie einen Anspruch auf umfassende Aufklärung und eine gemeinsame Entscheidungsfindung.
Das Recht auf umfassende Aufklärung und gemeinsame Entscheidungsfindung ist im deutschen Patientenrechtegesetz (§ 630e BGB) festgeschrieben.
– Bundesministerium für Gesundheit, Patientenrechtegesetz
Doch warum ist diese Behandlungspartnerschaft so entscheidend für den Erfolg, insbesondere bei der Therapietreue? Der Grund ist einfach: Ein Patient, der die Gründe für eine Therapie versteht, die Alternativen kennt und in die Wahl der Behandlungsmethode einbezogen wurde, identifiziert sich mit dem Therapieplan. Er wird zu „seinem“ Plan. Die Einnahme von Medikamenten ist keine lästige Pflicht mehr, die von außen auferlegt wird, sondern ein logischer Schritt auf einem gemeinsam festgelegten Weg. Die Zahlen sprechen hier eine deutliche Sprache, wie eine vergleichende Analyse von Behandlungsmodellen zeigt.
| Aspekt | Paternalistisches Modell | Partizipatives Modell |
|---|---|---|
| Entscheidungsfindung | Arzt entscheidet allein | Gemeinsame Entscheidung |
| Therapietreue | 50-60% | 75-85% |
| Patientenzufriedenheit | Niedrig bis mittel | Hoch |
| Behandlungserfolg | Standard | Verbessert |
Die Daten sind eindeutig: Die Therapietreue steigt von mäßigen 50-60 % im alten Modell auf beeindruckende 75-85 % im partizipativen Modell. Dieser Sprung ist bei chronischen Herzerkrankungen, bei denen eine konsequente Medikation lebensrettend ist, von immenser Bedeutung. Höhere Patientenzufriedenheit und ein verbesserter Behandlungserfolg sind die logischen Konsequenzen. Fordern Sie dieses partnerschaftliche Gespräch mit Ihrem Kardiologen aktiv ein – es ist Ihr Recht und ein entscheidender Baustein für Ihre Gesundheit.
Wann ist Selbstmanagement überfordert und professionelle Intervention nötig?
So wichtig die aktive Rolle des Patienten auch ist – Empowerment bedeutet nicht, mit der Last der Verantwortung alleingelassen zu werden. Ein kompetenter Patient kennt nicht nur seine Aufgaben, sondern auch seine Grenzen. Es ist entscheidend zu wissen, wann das Selbstmanagement an seine Grenzen stößt und eine professionelle Intervention absolut notwendig ist. Das Erkennen dieser „roten Flaggen“ ist vielleicht die wichtigste Fähigkeit, die Sie im Umgang mit Ihrer Herzerkrankung erlernen können.
Bestimmte Symptome sind eindeutige Alarmsignale, die kein Zögern erlauben. Eine schnelle Gewichtszunahme von mehr als zwei Kilogramm innerhalb von drei Tagen kann auf eine massive Wassereinlagerung durch eine sich verschlechternde Herzpumpleistung hindeuten und erfordert einen zeitnahen Besuch beim Hausarzt. Luftnot, die bereits in Ruhe auftritt, oder plötzlich einschießende Brustschmerzen, die vielleicht sogar in den Arm ausstrahlen, sind absolute Notfälle. Hier darf keine Zeit verloren werden – der Anruf beim Notruf (112) ist die einzig richtige Reaktion. Für weniger akute, aber dennoch beunruhigende Symptome wie Herzrasen in Ruhe oder neu aufgetretene, geschwollene Beine ist der ärztliche Bereitschaftsdienst unter 116 117 die richtige Anlaufstelle.

Neben den körperlichen Grenzen gibt es auch psychische. Die ständige Selbstbeobachtung und die Verantwortung können belastend sein. Hier bieten Selbsthilfegruppen ein unschätzbares Unterstützungsnetzwerk. In Deutschland gibt es ein wachsendes Netz solcher Gruppen, etwa in München, Berlin oder Leipzig, die über die Nationale Kontakt- und Informationsstelle NAKOS gefunden werden können. Der Austausch mit anderen Betroffenen hilft, emotionale Belastungen zu bewältigen und das Gefühl der Isolation zu durchbrechen. Diese Gruppen sind ein wichtiger Teil des Sicherheitsnetzes und können bei Bedarf auch an professionelle psychotherapeutische Dienste verweisen.
Ihre persönliche Checkliste: Wann ist ärztlicher Rat unerlässlich?
- Gewichtszunahme von mehr als 2 kg in 3 Tagen: Kontaktieren Sie umgehend Ihren Hausarzt.
- Luftnot in Ruhe oder bei geringster Belastung: Rufen Sie den Ärztlichen Bereitschaftsdienst (116 117) an.
- Neu aufgetretene oder stark zunehmende geschwollene Beine: Suchen Sie zeitnah Ihren Kardiologen auf.
- Plötzliche, starke Brustschmerzen (evtl. mit Ausstrahlung): Wählen Sie sofort den Notruf (112).
- Anhaltendes Herzrasen über 120 Schläge/Min. in Ruhe: Suchen Sie sofort ärztliche Hilfe auf (Bereitschaftsdienst oder Notaufnahme).
Wie Sie Ihre persönlichen Behandlungsziele mit Ihrem Kardiologen festlegen
Eine erfolgreiche Behandlungspartnerschaft basiert auf gemeinsamen Zielen. Doch diese Ziele sind weit mehr als nur abstrakte medizinische Messwerte wie „LDL-Cholesterin unter 70 mg/dl“. Für Patienten, von denen es laut dem Deutschen Herzbericht 2025 allein in Deutschland mehr als 4,7 Millionen Menschen mit einer KHK-Diagnose gibt, sind es die ganz persönlichen, alltagsrelevanten Ziele, die die eigentliche Motivation für die Therapie liefern. Die moderne Medizin erkennt dies zunehmend an und rückt die Lebensqualität des Patienten in den Mittelpunkt.
Ihr persönliches Behandlungsziel könnte lauten: „Ich möchte wieder ohne Pause mit meinem Enkel zum Spielplatz gehen können“ oder „Ich möchte die Treppe in den zweiten Stock schaffen, ohne anhalten zu müssen“. Solche Ziele sind konkret, emotional bedeutsam und geben der oft mühsamen Therapie einen tiefen Sinn. Die Aufgabe in der Behandlungspartnerschaft ist es, diese persönlichen Wünsche mit den klinischen Notwendigkeiten in Einklang zu bringen. Sprechen Sie Ihre Ziele im Arztgespräch klar an. Ein guter Kardiologe wird diese aufgreifen und den Therapieplan so ausrichten, dass er nicht nur medizinisch wirksam ist, sondern Sie auch beim Erreichen Ihrer persönlichen Meilensteine unterstützt.
Ein mächtiges Werkzeug zur Dokumentation und Verfolgung dieser Ziele ist die elektronische Patientenakte (ePA). In Deutschland wird die ePA zunehmend zur zentralen Plattform für eine transparente und koordinierte Versorgung. Sie können dort Ihre persönlichen Ziele neben den klinischen Werten festhalten. Dies stellt sicher, dass alle an Ihrer Behandlung beteiligten Personen – vom Hausarzt über den Kardiologen bis zur Reha-Klinik – über Ihre Wünsche informiert sind und an einem Strang ziehen. Die Ziele sollten dabei nach der SMART-Methode formuliert werden: Spezifisch, Messbar, Akzeptiert, Realistisch und Terminiert. Dies verwandelt vage Wünsche in einen konkreten, umsetzbaren Plan und verleiht Ihnen echte Therapie-Hoheit.
Wie Sie in 12 Wochen die Angst vor dem nächsten Herzinfarkt überwinden
Nach einem kardialen Ereignis wie einem Herzinfarkt ist die Angst vor einer Wiederholung ein ständiger Begleiter. Diese Angst ist nicht nur eine psychische Belastung, sie kann auch zu einem Teufelskreis führen: Angst erzeugt Stress, Stress belastet das Herz, und jedes harmlose Herzstolpern wird als Vorbote der nächsten Katastrophe interpretiert. Dieser Zustand der Hypervigilanz (übersteigerten Wachsamkeit) lähmt und untergräbt die Lebensqualität massiv. Doch diese Angst ist überwindbar, und der Schlüssel liegt auch hier in der aktiven Auseinandersetzung und im schrittweisen Wiedererlangen von Vertrauen in den eigenen Körper.
Ein bewährtes Konzept aus der Psychologie, das sich hier anwenden lässt, ist die graduelle Exposition. Es geht darum, sich schrittweise und kontrolliert den Situationen wieder anzunähern, die man aus Angst meidet. Beginnen Sie mit leichten Aktivitäten, die Sie sich zutrauen, zum Beispiel einem kurzen Spaziergang. Beobachten Sie dabei genau, wie Ihr Körper reagiert. Sie werden feststellen: Ein leicht erhöhter Puls ist eine normale, gesunde Reaktion auf Belastung, kein Alarmsignal. Dieses bewusste Erleben und positive Bestätigen ist essenziell, um die Angst-Konditionierung zu durchbrechen.
Strukturierte Herzsportgruppen unter ärztlicher Aufsicht sind hierfür der ideale Rahmen. In diesem geschützten Umfeld können Sie unter professioneller Anleitung Ihre Belastungsgrenzen sicher austesten und langsam steigern. Sie erleben, dass Ihr Herz belastbar ist. Parallel dazu ist es hilfreich, Entspannungstechniken wie die progressive Muskelentspannung oder Atemübungen zu erlernen. Diese Werkzeuge geben Ihnen die Möglichkeit, in akuten Angstmomenten aktiv gegenzusteuern und die Kontrolle zurückzugewinnen. Innerhalb von etwa 12 Wochen konsequenten Trainings – sowohl körperlich als auch mental – können die meisten Patienten eine signifikante Reduktion ihrer Angst und eine deutliche Steigerung ihrer Selbstwirksamkeit erreichen.
Wie erkennen Sie selbst, dass Ihre Herztherapie nicht mehr optimal wirkt?
Ein wesentliches Merkmal eines aktiven Patienten ist die Fähigkeit zur präzisen Selbstbeobachtung. Während die „roten Flaggen“ klare Notfallsituationen markieren, gibt es oft subtilere Anzeichen dafür, dass eine bestehende Therapie angepasst werden muss. Ihre Aufgabe als Partner im Behandlungsteam ist es, diese feinen Veränderungen wahrzunehmen und an Ihren Arzt zu kommunizieren. Sie sind derjenige, der 24 Stunden am Tag in Ihrem Körper lebt – niemand hat einen besseren Einblick in dessen Zustand als Sie selbst.
Eines der wichtigsten Instrumente hierfür ist ein Symptom-Tagebuch. Dokumentieren Sie täglich nicht nur Ihre Messwerte wie Blutdruck, Puls und Gewicht, sondern auch Ihr subjektives Befinden. Achten Sie auf Veränderungen in folgenden Bereichen:
- Leistungsfähigkeit: Benötigen Sie für Ihre gewohnte Spazierrunde plötzlich länger? Fühlen Sie sich schneller erschöpft als noch vor einigen Wochen?
- Schlafqualität: Wachen Sie nachts häufiger wegen Atemnot auf? Benötigen Sie plötzlich mehr Kissen, um schlafen zu können? Dies kann ein Hinweis auf zunehmende Wassereinlagerungen in der Lunge sein.
- Appetit und Verdauung: Ein ständiges Völlegefühl oder Appetitlosigkeit kann ebenfalls mit einer nachlassenden Herzleistung zusammenhängen.
- Häufigkeit von Symptomen: Notieren Sie, wie oft Sie leichte Schwindelgefühle, Herzstolpern oder ein Engegefühl in der Brust verspüren. Eine Zunahme der Frequenz ist ein wichtiges Signal.
Diese detaillierte Dokumentation ermöglicht es Ihrem Kardiologen, Muster zu erkennen, die in einer Momentaufnahme während des Praxisbesuchs unsichtbar bleiben würden. Wenn Sie mit konkreten Beobachtungen wie „In den letzten zwei Wochen musste ich beim Treppensteigen nach der ersten Etage eine Pause machen, vorher schaffte ich zwei Etagen“ ins Gespräch gehen, liefern Sie wertvolle Informationen für eine eventuelle Therapie-Anpassung. Diese Form der geschulten Selbstbeobachtung ist das Gegenteil von hypochondrischer Angst – es ist kompetentes Selbstmanagement und ein Eckpfeiler der modernen Behandlungspartnerschaft.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Rolle des passiven Patienten ist veraltet; eine aktive Behandlungspartnerschaft mit dem Arzt steigert nachweislich den Therapieerfolg und die Lebenserwartung.
- Nutzen Sie die Werkzeuge des deutschen Gesundheitssystems wie Disease-Management-Programme (DMPs) und die elektronische Patientenakte (ePA), um Ihre Therapie mitzugestalten.
- Patientenschulungen und die Fähigkeit zur Selbstbeobachtung sind die Grundlage, um vom Laien zum kompetenten Co-Manager der eigenen Gesundheit zu werden.
Medikamenten-Treue: Warum das Vergessen Ihrer Herzpille lebensgefährlich ist
Die konsequente Einnahme der verordneten Medikamente ist bei chronischen Herzerkrankungen von fundamentaler Bedeutung. Eine einzige vergessene Tablette kann den schützenden Effekt unterbrechen und das Risiko für schwerwiegende Ereignisse wie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall drastisch erhöhen. Dennoch ist die mangelnde Therapietreue, auch Adhärenz genannt, ein weit verbreitetes Problem. Studien zeigen, dass im klassischen, paternalistischen Arzt-Patienten-Modell nur etwa 50-60 % der Patienten ihre Medikamente wie verordnet einnehmen. Die Gründe sind vielfältig: Vergesslichkeit, komplizierte Einnahmepläne oder die Angst vor Nebenwirkungen.
Hier zeigt sich die Überlegenheit der Behandlungspartnerschaft am deutlichsten. Wenn Patienten verstehen, *warum* sie ein bestimmtes Medikament einnehmen – wie es den Blutdruck senkt, den Herzmuskel entlastet oder die Bildung von Gerinnseln verhindert – steigt die Motivation zur Einnahme enorm. Ein Patient, der in die Entscheidung für einen bestimmten Wirkstoff oder einen bestimmten Einnahmezeitpunkt einbezogen wurde, fühlt sich für diesen Plan mitverantwortlich. Die Therapietreue steigt in einem partizipativen Modell auf 75-85 % – ein gewaltiger Unterschied mit direkten Auswirkungen auf die Prognose.
Um die Therapietreue im Alltag zu gewährleisten, gibt es praktische Hilfsmittel. Eine Medikamenten-Wochenbox ist ein einfaches, aber extrem wirksames Werkzeug, um den Überblick zu behalten. Das wöchentliche Befüllen wird zur Routine und man sieht auf einen Blick, ob die Dosis für den Tag bereits eingenommen wurde. Digitale Erinnerungen per Smartphone-App können ebenfalls unterstützen. Sollten Sie unter Nebenwirkungen leiden oder den Eindruck haben, ein Medikament nicht zu vertragen, ist es entscheidend, dieses nicht eigenmächtig abzusetzen. Sprechen Sie es offen bei Ihrem Arzt an. In einer partnerschaftlichen Beziehung wird er Ihre Bedenken ernst nehmen und gemeinsam mit Ihnen nach einer Alternative oder einer Dosisanpassung suchen. Das ist der Kern von gelebtem Empowerment: Probleme werden nicht verschwiegen, sondern gemeinsam gelöst.
Der Weg vom passiven Patienten zum aktiven Partner ist eine Reise, die Mut und die Bereitschaft zur Veränderung erfordert. Doch es ist der einzig zukunftsfähige Weg in der modernen Herzmedizin. Der wichtigste Schritt auf diesem Weg ist der nächste, den Sie tun: Bereiten Sie Ihr nächstes Gespräch mit Ihrem Kardiologen vor. Werden Sie vom passiven Empfänger zum aktiven Gestalter Ihrer Herzgesundheit.