
Der Check-up 35 ist kein Rundum-sorglos-Paket, sondern der strategische Ausgangspunkt für Ihre persönliche Gesundheitsstrategie.
- Risiko statt Alter: Ihre Familiengeschichte ist oft entscheidender für die Vorsorge als die starre 35-Jahres-Grenze.
- Sinnvolle IGeL: Nicht jede Zuzahlung ist nötig, aber einige individuelle Gesundheitsleistungen können bei bestimmten Risikoprofilen lebenswichtig sein.
Empfehlung: Nutzen Sie diesen Leitfaden, um mit Ihrem Arzt auf Augenhöhe über notwendige und überflüssige Untersuchungen zu sprechen und die richtigen Entscheidungen für Ihre Gesundheit zu treffen.
Herzlichen Glückwunsch, Sie haben die Einladung zum „Check-up 35“ von Ihrer Krankenkasse erhalten! Viele meiner Patientinnen und Patienten kommen mit diesem Schreiben in meine Praxis und glauben, es handle sich um eine Art „TÜV für den Körper“ – eine komplette Durchsicht, nach der man für die nächsten drei Jahre beruhigt sein kann. Als Ihr Hausarzt, der sowohl mit gesetzlichen Kassen als auch privat abrechnet, muss ich Ihnen ehrlich sagen: Diese Vorstellung ist ein weit verbreitetes Missverständnis. Der Check-up 35 ist eine gute und wichtige Basisleistung, aber er ist vor allem eines: ein Screening. Er ist dazu gedacht, in der breiten Bevölkerung häufige Krankheiten wie Diabetes, Nierenerkrankungen oder Herz-Kreislauf-Probleme frühzeitig zu erkennen.
Die eigentliche Kunst der Vorsorge beginnt jedoch genau dort, wo die Kassenleistung aufhört. Ihr individuelles Risiko, Ihre Familiengeschichte und Ihr Lebensstil zeichnen ein viel genaueres Bild Ihrer Gesundheit als ein Standard-Bluttest. Mein Ziel mit diesem Artikel ist es, Ihnen die Transparenz zu geben, die im Praxisalltag oft zu kurz kommt. Ich möchte Ihnen zeigen, wie Sie den Check-up 35 als einen persönlichen Gesundheits-Navigator nutzen können. Wir werden gemeinsam die Lücken im Kassensystem identifizieren, den wahren Wert von individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) beleuchten und klären, wann eine Zuzahlung eine sinnvolle Investition in Ihre Zukunft ist – und wann Sie getrost darauf verzichten können. Betrachten Sie dies als Ihr persönliches Beratungsgespräch, um informierte Entscheidungen zu treffen.
Dieser Artikel führt Sie Schritt für Schritt durch die wichtigsten Fragen rund um den Check-up und Ihre persönlichen Vorsorge-Optionen. Sie werden lernen, Ihr eigenes Risikoprofil besser einzuschätzen und die notwendigen von den überflüssigen Untersuchungen zu unterscheiden.
Inhalt: Ihr Wegweiser zum Check-up 35 und darüber hinaus
- Herz-Check beim Facharzt: Wann lohnen sich die 150 € für den Ultraschall?
- Welche 5 Fragen zur Familiengeschichte müssen Sie vor dem Check-up klären?
- Cholesterin und Blutzucker: Ab welchen Grenzwerten müssen Sie wirklich handeln?
- Großer Herz-Check: Für wen ist die intensive Diagnostik in der Klinik nötig?
- Vater mit Herzinfarkt unter 50: Müssen Sie schon mit 30 zur Vorsorge?
- Investition in die Gesundheit: Wie Sie durch Prävention 500 € IGeL-Kosten sparen
- Kalk in den Adern messen: Für wen lohnt sich das CT-Screening der Herzkranzgefäße?
- Was steht wirklich über Sie im Computer? Ihr Recht auf Kopie und Korrektur
Herz-Check beim Facharzt: Wann lohnen sich die 150 € für den Ultraschall?
Eine der häufigsten Fragen in meiner Praxis betrifft den Herzultraschall, auch Echokardiographie genannt. Diese Untersuchung ist kein Standardbestandteil des Check-up 35, sondern eine typische IGeL-Leistung. Sie erlaubt uns, die Pumpfunktion des Herzens, die Herzklappen und den Herzmuskel direkt zu beurteilen. Die Frage ist also: Wann ist diese Untersuchung eine sinnvolle Investition in Ihre Gesundheit und wann nur eine teure Beruhigungspille? Pauschale Antworten gibt es nicht, aber eine risikobasierte Entscheidung ist möglich. Die reinen Kosten sind dabei nur ein Faktor; eine Studie zeigt, dass die Kosten für eine Echokardiographie als IGeL zwischen 130 und 160 Euro liegen.
Entscheidend ist jedoch nicht der Preis, sondern Ihr persönliches Risikoprofil. Liegen Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes, starkes Übergewicht (Adipositas) oder eine familiäre Vorbelastung vor, steigt der Nutzen einer solchen Untersuchung dramatisch an. Auch unklare Symptome wie Luftnot bei Belastung oder Herzstolpern können ein Grund sein. Ohne solche Faktoren ist der Mehrwert eines Herzultraschalls für einen ansonsten gesunden Menschen unter 50 Jahren gering. Es ist ein klassisches Beispiel, wo das Gespräch mit dem Arzt entscheidend ist, um von einer pauschalen Empfehlung zu einer personalisierten Entscheidung zu kommen.
Welche 5 Fragen zur Familiengeschichte müssen Sie vor dem Check-up klären?
Der wichtigste Teil des Check-up 35 kostet nichts und erfordert keine Nadel: das Anamnesegespräch. Und der wertvollste Teil dieses Gesprächs ist die Familienanamnese. Sie ist Ihr persönlicher Risiko-Kompass und oft aussagekräftiger als ein einzelner Laborwert. Erkrankungen der Eltern, Großeltern oder Geschwister können auf genetische Veranlagungen hinweisen, die Ihr eigenes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder bestimmte Krebsarten deutlich erhöhen. Deshalb ist es unerlässlich, dass Sie gut vorbereitet in das Gespräch gehen. Viele Patienten kennen nur vage Details („Oma hatte was mit dem Herzen“), aber Präzision ist hier entscheidend. Fragen Sie vor Ihrem Termin gezielt in Ihrer Familie nach.

Die folgenden fünf Fragen sind dabei von zentraler Bedeutung und sollten so genau wie möglich beantwortet werden:
- Gab es Herzinfarkte oder Schlaganfälle bei direkten Verwandten (Eltern, Geschwister) vor dem 60. Lebensjahr? Wenn ja, in welchem Alter genau?
- Wurden bei nahen Verwandten Diabetes Typ 2 oder Bluthochdruck diagnostiziert? Auch hier ist das Alter bei der Diagnose wichtig.
- Traten Fälle von Brust-, Darm- oder Hautkrebs in Ihrer Familie auf? Besonders relevant sind Erkrankungen vor dem 50. Lebensjahr.
- Gab es ungeklärte, plötzliche Herztode bei jungen Verwandten unter 40 Jahren?
- Sind spezifische genetische Erkrankungen wie familiär erhöhte Cholesterinwerte (Hypercholesterinämie) oder bekannte Gerinnungsstörungen vorhanden?
Mit diesen Informationen können wir als Ärzte Ihr persönliches Risikoprofil viel schärfer zeichnen und die Standardvorsorge gezielt um notwendige Zusatzuntersuchungen ergänzen. Ihre Familiengeschichte ist der Schlüssel zu einer wirklich personalisierten Prävention.
Cholesterin und Blutzucker: Ab welchen Grenzwerten müssen Sie wirklich handeln?
Zwei der zentralen Werte, die beim Check-up 35 bestimmt werden, sind der Nüchternblutzucker und das Gesamtcholesterin. Viele Patienten sind verunsichert, wenn ihre Werte leicht erhöht sind oder an der Obergrenze kratzen. Hier ist es wichtig zu verstehen: Grenzwerte sind keine starren Linien, sondern Orientierungspunkte in einem Gesamtbild. Die Frage, ab wann Sie wirklich handeln müssen, hängt entscheidend von Ihrem individuellen Gesamtrisiko ab, das wir unter anderem aus Ihrer Familienanamnese und Ihrem Lebensstil ableiten. Für die Blutabnahme ist es übrigens essenziell, dass Sie nüchtern zum Termin erscheinen – das bedeutet mindestens 8 bis 12 Stunden nichts essen und nur Wasser oder ungesüßten Tee trinken, um die Werte nicht zu verfälschen.
Ein leicht erhöhter LDL-Cholesterinwert bei einem sportlichen Nichtraucher ohne familiäre Vorbelastung ist völlig anders zu bewerten als der gleiche Wert bei einem Raucher mit Bluthochdruck und einem Vater, der früh einen Herzinfarkt hatte. Die modernen Leitlinien berücksichtigen dies, indem sie unterschiedliche Zielwerte für verschiedene Risikogruppen definieren. Als Ihr Arzt nutze ich Scoresysteme, um Ihr persönliches 10-Jahres-Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu berechnen und die Therapieziele entsprechend anzupassen.
Die folgende Tabelle gibt einen vereinfachten Überblick, wie die Zielwerte je nach Risikoprofil variieren können, wie es eine Analyse der Vorsorgerichtlinien zeigt.
| Parameter | Niedriges Risiko | Mittleres Risiko | Hohes Risiko |
|---|---|---|---|
| LDL-Cholesterin | < 160 mg/dl | < 130 mg/dl | < 100 mg/dl |
| Nüchternblutzucker | < 100 mg/dl | < 100 mg/dl | < 100 mg/dl |
| HbA1c | < 5,7% | < 5,7% | < 5,7% |
| Blutdruck | < 140/90 mmHg | < 130/85 mmHg | < 130/80 mmHg |
Liegen Ihre Werte im Grenzbereich, bedeutet das nicht automatisch, dass Sie sofort Medikamente benötigen. Oft ist dies der perfekte Zeitpunkt für eine Lebensstiländerung. Eine Umstellung auf mediterrane Kost, 150 Minuten Bewegung pro Woche und Stressreduktion können innerhalb von drei Monaten oft mehr bewirken als eine Pille. Erst wenn diese Maßnahmen nach 90 Tagen keinen Erfolg zeigen, ziehen wir eine medikamentöse Therapie in Betracht.
Großer Herz-Check: Für wen ist die intensive Diagnostik in der Klinik nötig?
Wenn der Check-up 35 einen auffälligen Befund ergibt – zum Beispiel einen erhöhten Blutdruck oder grenzwertige Zuckerwerte – beginnt die eigentliche diagnostische Kaskade. Hier ist es fundamental, den Unterschied zwischen Screening und Diagnostik zu verstehen. Der Check-up ist ein breites Netz (Screening), um mögliche Probleme in einer gesunden Bevölkerung zu finden. Findet man etwas, folgt die gezielte Suche nach der Ursache und dem Ausmaß des Problems (Diagnostik). Diese findet dann meist beim Facharzt oder in einer Klinik statt.
Ein „großer Herz-Check“ in einer kardiologischen Abteilung ist also niemals der erste Schritt, sondern das Ergebnis einer Kette von begründeten Verdachtsmomenten. Der Weg dorthin ist im deutschen Gesundheitssystem klar geregelt: Stellt der Hausarzt beim Check-up oder bei der Besprechung der Familienanamnese ein erhöhtes Risiko fest, überweist er an einen Kardiologen. Dieser führt weiterführende Untersuchungen wie ein Belastungs-EKG oder den bereits erwähnten Herzultraschall durch. Erst wenn auch hier Auffälligkeiten bestehen oder die Symptome (z.B. Brustschmerzen) eindeutig sind, wird eine stationäre Abklärung in der Klinik, möglicherweise mit einer Herzkatheter-Untersuchung, veranlasst. Die Kosten werden dann bei medizinischer Notwendigkeit vollständig von der Krankenkasse übernommen. Diese klare Trennung wird auch von oberster Stelle betont, wie der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hervorhebt:
Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen Screening und Diagnostik. Der Check-up 35 ist ein Screening für Gesunde. Eine Klinik-Diagnostik erfolgt bei konkretem Verdacht.
– Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA), Richtlinie zur Gesundheitsuntersuchung
Für Sie als Patient bedeutet das: Ein direkter Wunsch nach einem „Komplett-Check im Krankenhaus“ ohne vorherige ärztliche Indikation ist in der Regel eine reine Privatleistung. Der sinnvolle und vom System vorgesehene Weg führt immer über den Hausarzt als Lotsen und ersten Ansprechpartner.
Vater mit Herzinfarkt unter 50: Müssen Sie schon mit 30 zur Vorsorge?
Die starre Altersgrenze von 35 Jahren für den Check-up ist einer der größten Kritikpunkte am Kassensystem. Was ist mit dem 30-Jährigen, dessen Vater mit 48 einen Herzinfarkt erlitt? Muss er tatenlos bis zu seinem 35. Geburtstag warten? Die klare Antwort lautet: Nein. Ein derart hohes familiäres Risiko ist ein Weckruf, der die Standardregeln außer Kraft setzt. Hier sind wir im Bereich der proaktiven, risikoadaptierten Prävention. Ihr persönlicher Risiko-Kompass – die Familiengeschichte – schlägt hier deutlich aus und erfordert einen früheren Start.

In einem solchen Fall erstelle ich für meine Patienten einen individuellen Vorsorge-Fahrplan. Dieser kann bereits ab dem 25. Lebensjahr beginnen. Ein sinnvoller Plan für Hochrisikogruppen könnte so aussehen:
- Mit 25 Jahren: Bestimmung eines Basis-Lipidprofils (Gesamtcholesterin, HDL, LDL, Triglyceride), um frühzeitig eine genetische Fettstoffwechselstörung zu erkennen.
- Mit 30 Jahren: Durchführung eines Belastungs-EKGs und Bestimmung des erweiterten Lipidprofils inklusive des speziellen Risikofaktors Lipoprotein(a).
- Mit 35 Jahren: Durchführung des ersten regulären Check-up 35, idealerweise ergänzt um einen Herzultraschall als IGeL-Leistung.
- Jährlich: Regelmäßige Blutdruckmessung und BMI-Kontrolle in der Hausarztpraxis.
Erfreulicherweise erkennen immer mehr Krankenkassen diese Lücke. Eine aktuelle Übersicht zeigt, dass bieten über 60 Krankenkassen den Check-up oder ähnliche Vorsorgepakete bereits für Versicherte unter 35 Jahren an, oft schon ab 18 oder 25. Es lohnt sich also, proaktiv bei Ihrer Kasse nachzufragen und auf Ihr erhöhtes familiäres Risiko hinzuweisen.
Investition in die Gesundheit: Wie Sie durch Prävention 500 € IGeL-Kosten sparen
Der Markt für Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) ist riesig und unübersichtlich. Er ist eine Konsequenz der Kassen-Lücken im Vorsorgesystem. Eine Erhebung des IGeL-Monitors zeigt, dass gesetzlich Versicherte jährlich rund 2,4 Milliarden Euro für diese Zusatzleistungen ausgeben. Als Patient fühlen Sie sich oft unter Druck gesetzt: Soll ich den PSA-Test zur Prostatakrebsfrüherkennung machen? Ist der Ultraschall der Eierstöcke wirklich nötig? Die Wahrheit ist: Viele IGeL haben einen fragwürdigen oder nicht nachgewiesenen Nutzen. Eine kluge Prävention spart Ihnen hier bares Geld.
Der beste Weg, unnötige IGeL-Kosten zu vermeiden, ist, die Risikofaktoren, die Sie selbst beeinflussen können, aktiv zu managen. Regelmäßige Bewegung, eine ausgewogene Ernährung, Nichtrauchen und ein gesundes Körpergewicht sind die wirksamsten Präventionsmaßnahmen überhaupt. Wenn Sie diese Aspekte im Griff haben, sinkt Ihr Grundrisiko für viele Erkrankungen so stark, dass zahlreiche IGeL für Sie irrelevant werden. Anstatt also 30 Euro für eine fragwürdige Vitamin-D-Bestimmung ohne konkreten Verdacht auszugeben, investieren Sie die Zeit lieber in einen Spaziergang an der frischen Luft. Der unabhängige IGeL-Monitor bewertet viele dieser Leistungen kritisch und hilft bei der Einordnung.
Hier ist eine Übersicht, die Ihnen helfen kann, Prioritäten zu setzen und zu verstehen, welche IGeL in welchen Situationen sinnvoll sein können:
| IGeL-Leistung | Kosten | Bewertung IGeL-Monitor | Empfehlung |
|---|---|---|---|
| Hautkrebs-Screening (zusätzlich) | 20-40 € | tendenziell positiv | Bei Risikofaktoren sinnvoll |
| PSA-Test | 25-35 € | tendenziell negativ | Nur nach ausführlicher Aufklärung |
| Ultraschall Eierstöcke | 30-50 € | negativ | Nicht zur reinen Früherkennung empfohlen |
| Vitamin-D-Bestimmung | 20-30 € | unklar |
Ihr stärkstes Werkzeug ist das informierte Gespräch. Fragen Sie Ihren Arzt gezielt: „Welchen konkreten Nutzen hat diese Untersuchung für mich persönlich bei meinem aktuellen Risikoprofil? Welche Konsequenzen hätte ein auffälliger Befund?“ Ein seriöser Arzt wird Ihnen diese Fragen ehrlich beantworten und Sie nicht unter Druck setzen.
Kalk in den Adern messen: Für wen lohnt sich das CT-Screening der Herzkranzgefäße?
Ein weiteres Beispiel für eine High-Tech-IGeL ist das CT-Screening zur Messung des Kalk-Scores der Herzkranzgefäße. Diese Untersuchung visualisiert Kalkablagerungen (Arteriosklerose) und gibt so einen direkten Einblick in den Zustand Ihrer Herzkranzgefäße. Die Kosten liegen als Selbstzahlerleistung bei etwa 200 bis 400 Euro. Doch für wen ist dieser tiefe Blick ins Herz wirklich eine sinnvolle Investition?
Diese Untersuchung ist kein Instrument für die breite Masse. Sie ist speziell für eine bestimmte Patientengruppe gedacht: Menschen mit einem mittleren kardiovaskulären Risiko. Das sind typischerweise Patienten, bei denen nach Auswertung aller Standard-Untersuchungen (Blutwerte, Blutdruck, Familienanamnese) unklar bleibt, ob eine medikamentöse Therapie, zum Beispiel mit Cholesterinsenkern (Statinen), begonnen werden sollte. Ein Kalk-Score von null kann in diesem Fall die Entscheidung stützen, vorerst auf Medikamente zu verzichten. Ein hoher Kalk-Score hingegen ist ein starkes Argument, eine konsequente Therapie zu beginnen, um einem Herzinfarkt vorzubeugen. Für Patienten mit niedrigem oder bereits bekannt hohem Risiko ist der Test hingegen überflüssig, da er die Therapieentscheidung nicht verändert.
Die Entscheidung für oder gegen ein solches Screening ist komplex und sollte niemals leichtfertig getroffen werden. Sie erfordert eine sorgfältige Abwägung von Nutzen, Kosten und auch der damit verbundenen Strahlenbelastung, auch wenn diese relativ gering ist.
Ihre Checkliste: CT-Kalk-Score ja oder nein?
- Risikobestimmung: Bitten Sie Ihren Arzt, Ihr persönliches 10-Jahres-Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit einem validierten Score (z.B. ESC-Score 2) zu bestimmen.
- Einordnung des Risikos: Liegt Ihr Risiko im mittleren Bereich (in Deutschland oft als 5-10% definiert), kann der CT-Score die Therapieentscheidung sinnvoll beeinflussen.
- Abwägung der Strahlenbelastung: Vergleichen Sie die Strahlenbelastung von ca. 1-3 Millisievert (mSv) mit anderen Expositionen. Ein Langstreckenflug entspricht etwa 0,1 mSv; die natürliche jährliche Strahlenbelastung in Deutschland liegt bei ca. 2,1 mSv.
- Prüfung von Alternativen: Besprechen Sie strahlenfreie Alternativen wie die Ultraschalluntersuchung der Halsschlagadern (Carotis-Sonographie), die ebenfalls Hinweise auf Arteriosklerose geben kann.
- Diskussion der Konsequenzen: Klären Sie vorab mit Ihrem Arzt, welche konkreten therapeutischen Konsequenzen ein positives (hoher Kalk-Score) oder negatives (Kalk-Score von null) Ergebnis für Sie hätte.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Check-up 35 ist ein Screening zur Früherkennung, keine umfassende Diagnostik oder ein Garant für Gesundheit.
- Ihr persönliches Risiko, insbesondere durch Ihre Familiengeschichte, ist wichtiger als allgemeine Altersgrenzen für die Vorsorge.
- Ihre Patientenrechte, vor allem der Zugang zu Ihrer Akte, sind ein mächtiges Werkzeug, um ein aktiver und informierter Gesundheits-Navigator zu werden.
Was steht wirklich über Sie im Computer? Ihr Recht auf Kopie und Korrektur
Der letzte, aber quizás wichtigste Schritt, um vom passiven Patienten zum aktiven Gesundheits-Navigator zu werden, betrifft Ihre Daten. In meiner Praxis und in den Computern aller Ärzte, die Sie behandeln, sammelt sich über die Jahre eine umfangreiche digitale Akte über Sie an: Diagnosen, Laborwerte, Arztbriefe, Befunde. Diese Informationen sind Ihr Eigentum. Die volle Kontrolle und Kenntnis über Ihre eigenen Gesundheitsdaten ist die Grundlage für jede informierte Entscheidung. Sie haben das Recht zu wissen, was über Sie gespeichert ist.

Dieses Recht ist gesetzlich fest verankert. Wie das Bundesministerium für Gesundheit klarstellt, haben Patienten nach § 630g BGB und Art. 15 DSGVO das Recht auf eine kostenlose erste Kopie ihrer vollständigen Patientenakte. Das schließt nicht nur die Befunde ein, sondern auch die ärztlichen Notizen. Wenn Sie Fehler entdecken, haben Sie zudem ein Recht auf Korrektur oder Ergänzung. Machen Sie von diesem Recht Gebrauch! Fordern Sie vor wichtigen Gesprächen oder einem Arztwechsel Ihre Unterlagen an. Das ermöglicht Ihnen, eine Zweitmeinung einzuholen oder Ihrem neuen Arzt ein vollständiges Bild zu geben.
Das modernste Werkzeug hierfür ist die elektronische Patientenakte (ePA). Mit der ePA haben Sie alle Ihre Dokumente zentral an einem Ort und können selbst steuern, welcher Arzt welche Informationen einsehen darf. Sie können Befunde hochladen, Ihren Medikationsplan verwalten und haben jederzeit die volle Transparenz darüber, wer auf Ihre Akte zugegriffen hat. Die ePA verwandelt das abstrakte Recht auf Akteneinsicht in ein praktisches Werkzeug für den Alltag. Nutzen Sie es, um die Kontrolle zu behalten und alle Fäden Ihrer Gesundheitsvorsorge selbst in der Hand zu halten.
Der Check-up 35 ist mehr als eine Routineuntersuchung; er ist Ihre Chance, gemeinsam mit Ihrem Hausarzt einen maßgeschneiderten Gesundheitsplan zu entwerfen. Bereiten Sie sich auf Ihren nächsten Termin vor, stellen Sie die richtigen Fragen und werden Sie zum Architekten Ihrer eigenen langfristigen Gesundheit.