Veröffentlicht am Mai 15, 2024

Die Wahl zwischen Stent und Bypass ist keine isolierte Entscheidung, sondern das Ergebnis eines streng moderierten Konsensprozesses, der Ihre Sicherheit maximiert.

  • Ein ganzes Team aus Spezialisten – weit über Kardiologe und Chirurg hinaus – analysiert Ihren Fall.
  • Jeder Experte, von der Intensivpflege bis zum Klinikapotheker, bildet ein entscheidendes Sicherheitsnetz.

Empfehlung: Fragen Sie in Ihrem Krankenhaus aktiv nach dem „Herz-Team“-Prozess. Ihre Gesundheit hängt von dieser koordinierten Expertise ab.

Die Diagnose einer komplexen Herzerkrankung, wie einer Hauptstammstenose, wirft eine beunruhigende Frage auf: Ist ein Stent oder eine Bypass-Operation der bessere Weg? Oftmals fühlt es sich für Patienten so an, als hinge ihr Schicksal vom Urteil eines einzelnen Arztes ab. Man hört von den Vorteilen minimalinvasiver Eingriffe, aber auch von der Langlebigkeit eines Bypasses. Diese oft widersprüchlichen Informationen führen zu Verunsicherung und Angst. Die gängige Annahme ist, dass Kardiologen eher zum Stent und Herzchirurgen zur Operation neigen.

Doch was, wenn die wahre Stärke der modernen Herzmedizin nicht im Duell dieser Meinungen liegt, sondern in ihrem organisierten Zusammenspiel? Die eigentliche Revolution findet hinter den Kulissen statt: im sogenannten „Herz-Team“. Dies ist kein informeller Austausch, sondern ein strukturiertes Gremium, in dem Ihre individuelle Situation aus jedem erdenklichen Blickwinkel beleuchtet wird. Es geht nicht mehr darum, welche Methode ein Arzt bevorzugt, sondern darum, welche Lösung für Sie – basierend auf Daten, Leitlinien und der gebündelten Erfahrung eines ganzen Expertenteams – die sicherste und nachhaltigste ist.

Dieser Artikel führt Sie in den Maschinenraum dieser lebenswichtigen Entscheidungsfindung. Wir agieren als Ihr Moderator im Herz-Team und zeigen Ihnen, wie die verschiedenen Spezialisten zusammenarbeiten. Sie werden verstehen, warum eine spezialisierte Pflegekraft Ihre Überlebenschancen verbessert, wieso Sie schon mit Beatmungsschlauch mobilisiert werden und welche entscheidende Rolle der Klinikapotheker als Ihr persönliches Sicherheitsnetz spielt. Am Ende werden Sie das Konzept der Konsensentscheidung nicht nur verstehen, sondern auch als Ihr stärkstes Werkzeug für eine sichere Behandlung schätzen.

Um Ihnen einen umfassenden Einblick in diesen Prozess zu geben, beleuchten wir die verschiedenen Facetten des Herz-Teams. Jeder Teil des Teams spielt eine unverzichtbare Rolle, um das bestmögliche Ergebnis für Ihre Gesundheit zu gewährleisten.

Mehr als Pflege: Warum eine spezialisierte Schwester Ihre Überlebenschancen verbessert

Wenn man an eine Intensivstation denkt, kommt einem oft das Bild der fürsorglichen Pflegekraft in den Sinn, die Vitalwerte misst und Medikamente verabreicht. Doch im Kontext eines Herz-Teams ist eine Fachkrankenpflegerin für Intensivpflege weit mehr als das. Sie ist eine hochspezialisierte Expertin und oft die erste Person, die subtile, aber lebensbedrohliche Veränderungen im Zustand eines Patienten erkennt. Ihre Rolle geht weit über die reine Versorgung hinaus; sie ist eine kritische Schnittstelle zwischen Patient, Technik und Ärzteschaft.

Die Ausbildung zur Fachkrankenpflegerin für Intensivpflege und Anästhesie in Deutschland ist ein intensiver, zweijähriger Prozess. Er umfasst Hunderte von Theoriestunden und Tausende von Praxisstunden. In dieser Zeit erwerben die Pflegekräfte tiefgreifendes Wissen über komplexe Themen wie künstliche Beatmung, Herz-Kreislauf-Unterstützungssysteme und die Interpretation feinster Monitoringsignale. Sie lernen nicht nur, Anweisungen auszuführen, sondern auch, kritische Situationen proaktiv zu antizipieren und zu managen.

Für Sie als Patient bedeutet das ein zusätzliches, permanentes Sicherheitsnetz. Während Ärzte oft zwischen verschiedenen Patienten wechseln, ist die spezialisierte Pflegekraft konstant an Ihrer Seite. Sie bemerkt eine leichte Veränderung des Blutdruckmusters, eine minimale Abweichung in den Laborwerten oder eine kaum wahrnehmbare Veränderung Ihrer Atmung lange bevor daraus eine akute Krise wird. In der Herz-Team-Konferenz ist ihre Einschätzung von unschätzbarem Wert, da sie ein ganzheitliches Bild des Patienten vermitteln kann, das über reine Messwerte hinausgeht. Sie berichtet, wie der Patient auf bestimmte Maßnahmen reagiert, wie sein Allgemeinzustand ist und ob er psychisch stabil genug für einen großen Eingriff ist. Diese praxisnahe Perspektive kann die rein technische Diskussion der Ärzte entscheidend beeinflussen und die Behandlungsstrategie sicherer machen.

Letztlich ist es diese Kombination aus ständiger Präsenz, hoher Fachkompetenz und menschlicher Beobachtungsgabe, die eine spezialisierte Pflegekraft zu einer unverzichtbaren Säule im Herz-Team macht und direkt zu besseren Behandlungsergebnissen beiträgt.

Frühmobilisation: Warum Sie schon mit Beatmungsschlauch das Bett verlassen müssen

Die Vorstellung, kurz nach einer schweren Herzoperation – möglicherweise noch an ein Beatmungsgerät angeschlossen – das Bett verlassen zu müssen, wirkt auf den ersten Blick beängstigend und kontraproduktiv. Traditionell galt strenge Bettruhe als oberstes Gebot, um den Körper zu schonen. Doch die moderne Intensivmedizin hat bewiesen: Langes Liegen ist einer der größten Feinde der Genesung. Die Frühmobilisation ist daher ein zentraler Baustein der Behandlungsstrategie des Herz-Teams und ein Paradebeispiel für evidenzbasiertes Handeln.

Der Grundgedanke ist einfach: Jeder Tag der Inaktivität führt zu massivem Muskelabbau, erhöht das Risiko für Lungenentzündungen und Thrombosen und kann zu einem Delir führen. Um dem entgegenzuwirken, wird die Mobilisation so früh wie möglich gestartet. Die aktuelle deutsche S3-Leitlinie empfiehlt einen Beginn innerhalb von 72 Stunden nach Aufnahme auf die Intensivstation. Dies geschieht in einem sicheren, stufenweisen Prozess, der von Physiotherapeuten und Pflegekräften eng begleitet wird.

Dieser Prozess beginnt oft passiv mit dem Durchbewegen der Gelenke im Bett und einer Oberkörperhochlagerung. Sobald es der Zustand erlaubt, folgt der nächste Schritt: das Sitzen an der Bettkante. Selbst dieser kleine Akt aktiviert den Kreislauf und die Rumpfmuskulatur. Später kommen Hilfsmittel wie Bettfahrräder oder spezielle Lifter zum Einsatz, um den Patienten in einen Stuhl zu mobilisieren oder erste Schritte zu ermöglichen. All dies geschieht unter kontinuierlicher Überwachung der Vitalparameter, um absolute Sicherheit zu gewährleisten.

Frühmobilisation eines Intensivpatienten mit Unterstützung durch Physiotherapeut

Für Sie als Patient bedeutet dieser proaktive Ansatz eine deutlich schnellere Genesung. Studien zeigen, dass Frühmobilisation die Beatmungsdauer und die Verweildauer auf der Intensivstation verkürzt, die körperliche Funktion langfristig verbessert und sogar die Sterblichkeit senkt. Es ist ein aktiver Kampf gegen die Schwäche, der beginnt, lange bevor Sie sich selbst wieder stark genug fühlen. Das Herz-Team plant diese Maßnahmen als festen Bestandteil Ihrer Therapie, denn ein erfolgreicher Eingriff am Herzen ist nur die halbe Miete – die schnelle und vollständige Wiederherstellung Ihrer Lebensqualität ist das eigentliche Ziel.

Die Entscheidung zur Frühmobilisation ist somit ein klares Zeichen dafür, dass das Team nicht nur die Krankheit behandelt, sondern Ihren gesamten Körper auf dem Weg zurück ins Leben aktiv unterstützt.

Kampf den Wechselwirkungen: Warum ein Klinikapotheker im Team Leben rettet

Ein Patient nach einer Herz-Operation erhält oft mehr als ein Dutzend verschiedene Medikamente gleichzeitig: Blutverdünner, Blutdrucksenker, Schmerzmittel, Antibiotika und eventuell Medikamente für Begleiterkrankungen wie Diabetes. Jedes dieser Präparate ist für sich genommen wichtig, doch in Kombination können sie zu einem unberechenbaren Cocktail mit gefährlichen Wechselwirkungen werden. Hier kommt ein oft unsichtbares, aber entscheidendes Mitglied des Herz-Teams ins Spiel: der Klinikapotheker.

Die Aufgabe des Klinikapothekers geht weit über die reine Logistik der Medikamentenversorgung hinaus. Er ist der Experte für Arzneimitteltherapiesicherheit und fungiert als zentrales Kontrollorgan. Bevor eine neue Verordnung umgesetzt wird, prüft er sie auf potenzielle Interaktionen mit der bestehenden Medikation. Er berechnet Dosisanpassungen, die bei Patienten mit eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion notwendig sind, um toxische Effekte zu vermeiden. Diese präzise Arbeit im Hintergrund verhindert Komplikationen wie Blutungen, Nierenversagen oder Herzrhythmusstörungen, die den Erfolg der gesamten Behandlung zunichtemachen könnten.

Der Klinikapotheker ist somit ein integraler Bestandteil des Sicherheitsnetzes, das das Herz-Team um den Patienten spannt. Seine Empfehlungen sind in den täglichen Visiten und den Team-Konferenzen von großer Bedeutung. Findet er eine problematische Kombination, schlägt er aktiv sicherere Alternativen vor. Seine Expertise hilft, die Therapie nicht nur wirksam, sondern auch so verträglich wie möglich zu gestalten.

Die folgende Tabelle zeigt, wie die Aufgaben des Klinikapothekers direkt zu Ihrer Sicherheit beitragen.

Aufgabenbereiche des Klinikapothekers im Herz-Team
Aufgabenbereich Konkrete Tätigkeiten Nutzen für Patienten
Medikamentenprüfung Überprüfung aller Verordnungen auf Wechselwirkungen Vermeidung gefährlicher Interaktionen
Dosisanpassung Berechnung individueller Dosierungen bei Nieren-/Leberfunktionsstörungen Optimale Wirksamkeit bei minimalen Nebenwirkungen
Therapieoptimierung Empfehlungen für alternative Präparate bei Unverträglichkeiten Bessere Verträglichkeit der Therapie
Entlassmanagement Erstellung verständlicher Medikationspläne Sichere Weiterbehandlung zu Hause

Besonders wichtig wird seine Rolle auch beim Übergang aus dem Krankenhaus nach Hause. Der Klinikapotheker stellt sicher, dass Sie einen klaren und verständlichen Medikationsplan erhalten, der Fehler bei der weiteren Einnahme minimiert. Er ist der Wächter über Ihre medikamentöse Therapie und damit ein Lebensretter im Stillen.

Warum jeder Kardiologe auch ein bisschen Psychologe sein muss

Eine Herzerkrankung ist niemals nur ein körperliches Problem. Die Diagnose erschüttert das Vertrauen in den eigenen Körper, löst Ängste vor der Zukunft aus und kann zu Depressionen führen. Das Herz-Team weiß, dass die psychische Verfassung eines Patienten einen enormen Einfluss auf den Heilungsprozess hat. Ein ängstlicher, gestresster Patient erholt sich langsamer und hat ein höheres Risiko für Komplikationen. Deshalb ist die psychologische Komponente ein fester Bestandteil der ganzheitlichen Betrachtung.

Der Kardiologe ist dabei oft die erste und wichtigste Vertrauensperson. In den Gesprächen vor und nach einem Eingriff geht es nicht nur um technische Details wie Stent-Größen oder Nahttechniken. Ein guter Kardiologe nimmt sich Zeit, zuzuhören, Sorgen ernst zu nehmen und Sicherheit zu vermitteln. Er erklärt die Abläufe verständlich und entkräftet unbegründete Ängste. Diese vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung ist die Basis für eine erfolgreiche Behandlung, denn nur ein Patient, der den Behandlungsplan versteht und mitträgt, wird auch die notwendigen Lebensstiländerungen nach dem Eingriff konsequent umsetzen.

Die Verbindung zwischen Herz und Seele ist wissenschaftlich gut belegt. Die Deutsche Herzstiftung hebt hervor, dass Depressionen das Risiko für erneute kardiale Ereignisse erheblich steigern. Eine Studie bestätigt, dass das Risiko für kardiale Ereignisse bei depressiven Patienten um das 1,5- bis 2-fache erhöht ist. Aus diesem Grund etabliert sich in Deutschland zunehmend die „Psychokardiologie“ als eigenes Fachgebiet. Viele Herzzentren verfügen heute über spezialisierte Psychologen oder psychokardiologische Ambulanzen, die in das Herz-Team integriert sind. Sie bieten gezielte Unterstützung bei der Bewältigung von Angst, Stress und depressiven Symptomen.

Vertrauensvolles Gespräch zwischen Kardiologe und Patient

Für Sie bedeutet das, dass Sie mit Ihren Sorgen nicht allein gelassen werden. Das Team betrachtet nicht nur Ihr Herz, sondern Sie als ganzen Menschen. Ob durch ein einfühlsames Gespräch mit dem behandelnden Arzt oder durch professionelle psychologische Begleitung – das Ziel ist es, Ihnen nicht nur körperlich, sondern auch mental die bestmögliche Stärke für den Heilungsweg zu geben. Denn ein gesundes Herz und eine stabile Psyche sind zwei Seiten derselben Medaille.

Diese psychologische Sensibilität ist kein „weicher“ Faktor, sondern ein hartes, evidenzbasiertes Kriterium für die Qualität einer modernen Herzbehandlung.

Der Arztbrief-Pingpong: Wie stellen Sie sicher, dass keine Information verloren geht?

Eine erfolgreiche Herzoperation ist nur der Anfang. Die Phase nach der Entlassung aus dem Krankenhaus ist ebenso kritisch. Hier lauert eine oft unterschätzte Gefahr: der Informationsverlust zwischen Klinik, Hausarzt und weiterbehandelnden Fachärzten. Ein unvollständiger Arztbrief, ein missverständlicher Medikationsplan oder fehlende Befunde können die sorgfältig geplante Nachsorge gefährden. Das Herz-Team ist sich dieser Bruchstelle bewusst und arbeitet an Lösungen, um einen lückenlosen Informationsfluss zu gewährleisten.

Das Kernproblem ist der sogenannte „Arztbrief-Pingpong“: Dokumente werden per Post oder Fax versendet, gehen verloren oder treffen verspätet ein. Um dieses Problem zu lösen, wird in Deutschland die elektronische Patientenakte (ePA) schrittweise eingeführt. Seit dem 15. Januar 2025 erhalten alle gesetzlich Versicherten automatisch eine ePA, es sei denn, sie widersprechen aktiv (Opt-Out-Verfahren). Laut der Verbraucherzentrale wird die elektronische Patientenakte ab Oktober 2025 für alle Leistungserbringer wie Arztpraxen und Krankenhäuser verpflichtend. Ziel ist es, dass alle relevanten Informationen – von Befunden über Arztbriefe bis hin zum Medikationsplan – zentral und sicher gespeichert und für alle an der Behandlung beteiligten Ärzte zugänglich sind.

Auch wenn die ePA die Zukunft ist, liegt die Verantwortung für einen sicheren Übergang heute noch zu einem großen Teil bei Ihnen als Patient. Sie sind der wichtigste Manager Ihrer eigenen Gesundheitsdaten. Vor der Entlassung sollten Sie daher aktiv werden und sicherstellen, dass Sie alle notwendigen Informationen erhalten. Ein gut vorbereitetes Entlassgespräch ist entscheidend für die Kontinuität Ihrer Behandlung und Ihre Sicherheit zu Hause.

Ihre Checkliste für eine sichere Krankenhausentlassung

  1. Fragen Sie nach einem ausführlichen Entlassbrief für Ihren Hausarzt.
  2. Lassen Sie sich den aktuellen Medikationsplan ausdrucken und erklären.
  3. Bitten Sie um Kopien aller wichtigen Befunde und Untersuchungsergebnisse.
  4. Klären Sie verbindliche Kontrolltermine und Nachsorgeuntersuchungen.
  5. Erfragen Sie konkrete Verhaltensregeln für zu Hause (Belastung, Ernährung etc.).
  6. Notieren Sie sich Notfallkontakte und Ansprechpartner bei Komplikationen.
  7. Prüfen Sie, ob alle relevanten Informationen in Ihre ePA eingetragen wurden (falls bereits genutzt).

Indem Sie diese Punkte ansprechen, schließen Sie aktiv potenzielle Informationslücken und tragen maßgeblich dazu bei, den Erfolg Ihrer Behandlung langfristig zu sichern.

Wenn Echo, CT und MRT kombiniert werden: Wie Puzzleteile ein ganzes Bild ergeben

Die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Herzbehandlung fällt nicht aus dem Bauch heraus. Sie basiert auf harten, visuellen Daten, die durch modernste Bildgebung gewonnen werden. Kardiologe und Herzchirurg betrachten das Herz nicht nur mit ihren Augen, sondern durch die Linsen von Ultraschall, Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT). Jedes dieser Verfahren liefert ein einzigartiges Puzzleteil. Erst wenn alle Teile zusammengefügt werden, ergibt sich das vollständige Bild, das eine sichere und präzise Therapieplanung ermöglicht.

Die Echokardiographie (Herz-Ultraschall) ist das Arbeitspferd der Kardiologie. Sie ist schnell, überall verfügbar und kommt ohne Strahlenbelastung aus. Mit ihr beurteilt der Arzt in Echtzeit die Pumpfunktion des Herzens und die Funktion der Herzklappen. Sie ist oft der erste und wichtigste Schritt der Diagnostik. Doch sie hat auch Grenzen, zum Beispiel bei stark übergewichtigen Patienten.

Hier kommt das Herz-CT ins Spiel. Es liefert in kürzester Zeit hochaufgelöste, dreidimensionale Bilder der Herzkranzgefäße und der großen Arterien. Es ist das ideale Werkzeug, um Engstellen präzise zu lokalisieren und anatomische Strukturen exakt zu vermessen – eine unverzichtbare Voraussetzung für die Planung eines Stent-Eingriffs oder einer Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI). Der Nachteil ist die damit verbundene Strahlenbelastung.

Das Kardio-MRT wiederum ist der Spezialist für das Gewebe selbst. Ohne Strahlung kann es zwischen gesundem Herzmuskel, Narbengewebe nach einem Infarkt und entzündlichen Veränderungen unterscheiden. Es beantwortet die entscheidende Frage nach der „Vitalität“: Lohnt es sich, ein verschlossenes Gefäß wieder zu eröffnen, oder ist der dahinterliegende Herzmuskel bereits dauerhaft geschädigt? Diese Information ist fundamental für die Prognoseabschätzung. Manchmal werden diese Verfahren sogar digital überlagert („Fusion Imaging“), um die Vorteile zu kombinieren.

Diese Tabelle aus dem Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) fasst die Stärken der einzelnen Verfahren zusammen:

Bildgebungsverfahren für verschiedene kardiologische Fragestellungen
Verfahren Hauptindikation Vorteile Limitationen
Echokardiographie Klappenfunktion, Pumpleistung Keine Strahlung, überall verfügbar Schallschatten bei Adipositas
Herz-CT TAVI-Planung, Koronararterien Schnell, exakte Vermessung Strahlenbelastung
Kardio-MRT Myokardnarben, Vitalität Keine Strahlung, Gewebecharakterisierung Zeitaufwändig, nicht überall verfügbar
Fusion Imaging Komplexe Interventionen Kombiniert Vorteile mehrerer Verfahren Hohe technische Anforderungen

In der Herz-Team-Konferenz werden diese Bilder gemeinsam analysiert. Der Kardiologe interpretiert die Funktion, der Chirurg beurteilt die anatomische Machbarkeit einer Operation, und der Radiologe steuert seine Expertise bei. Erst dieser multimodale Blick auf Ihr Herz ermöglicht eine wirklich individualisierte und sichere Therapieempfehlung.

Trotz Medikamenten keine Besserung: Wann ist eine Zweitmeinung sinnvoll?

Sie erhalten eine medikamentöse Therapie, doch Ihre Symptome wie Luftnot oder Brustschmerzen bessern sich nicht. Ihr Arzt schlägt einen großen Eingriff vor, aber Sie haben Zweifel und fühlen sich unsicher. In solchen Situationen ist es nicht nur Ihr gutes Recht, sondern oft auch medizinisch klug, eine Zweitmeinung einzuholen. Eine zweite, unabhängige Beurteilung Ihres Falles kann die Erstdiagnose bestätigen und Ihnen Sicherheit geben – oder aber alternative Behandlungswege aufzeigen, an die bisher nicht gedacht wurde.

In Deutschland ist das Recht auf eine Zweitmeinung gesetzlich verankert. Bei bestimmten planbaren, schwerwiegenden Eingriffen, darunter auch Herzkatheteruntersuchungen oder Herzklappenoperationen, haben Sie einen gesetzlichen Anspruch darauf. Die Kosten werden in der Regel von Ihrer Krankenkasse übernommen. Sie sollten dies jedoch immer vorab mit Ihrer Kasse klären. Eine Zweitmeinung einzuholen ist kein Misstrauensvotum gegen Ihren behandelnden Arzt, sondern ein legitimer Schritt, um als mündiger Patient an einer so wichtigen Entscheidung aktiv mitzuwirken.

Der ideale Ansprechpartner für eine Zweitmeinung ist ein spezialisiertes Herzzentrum. Diese Zentren verfügen nicht nur über hohe Fallzahlen und große Erfahrung, sondern praktizieren auch das Herz-Team-Konzept in Reinform. Anstatt nur die Meinung eines einzelnen weiteren Arztes zu erhalten, wird Ihr Fall dort oft von einem ganzen Expertengremium beurteilt. Ein herausragendes Beispiel hierfür ist das Deutsche Herzzentrum der Charité (DHZC) in Berlin, das strukturierte Zweitmeinungsverfahren anbietet. Sie reichen Ihre bisherigen Befunde ein, und das Team aus Kardiologen, Herzchirurgen und weiteren Spezialisten erarbeitet eine gemeinsame, schriftliche Empfehlung.

Was passiert, wenn die Zweitmeinung von der ersten Empfehlung abweicht? Das mag zunächst verwirrend sein, ist aber eine Chance. Es zwingt dazu, beide Argumentationen genau abzuwägen. Die finale Entscheidung, welchem Weg Sie folgen, liegt immer bei Ihnen. Die Zweitmeinung gibt Ihnen jedoch eine breitere, fundiertere Basis für diese persönliche Entscheidung. Sie verwandelt Unsicherheit in informierte Gewissheit und stärkt Ihre Position als Partner im Behandlungsprozess.

Zögern Sie also nicht, diese Option in Erwägung zu ziehen, wenn Sie sich unsicher fühlen. Es geht um Ihr Herz und Ihre Gesundheit – und hier ist doppelte Absicherung immer die bessere Wahl.

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Herz-Team ist mehr als nur Kardiologe und Chirurg; es ist ein multidisziplinäres Sicherheitsnetz für den Patienten.
  • Jede Entscheidung basiert auf einer Konsensfindung, die durch Daten aus modernster Bildgebung und die Expertise aller Beteiligten gestützt wird.
  • Als Patient haben Sie in Deutschland das Recht und die Möglichkeit (z. B. durch eine Zweitmeinung oder die ePA), den Behandlungsprozess aktiv mitzugestalten.

Nicht mehr heilen, aber gut leben: Wenn das Herz zu schwach für weitere OPs ist

Es gibt Situationen, in denen das Herz durch eine fortgeschrittene Herzinsuffizienz so geschwächt ist, dass weitere Operationen oder invasive Eingriffe mit einem zu hohen Risiko verbunden wären oder keine nennenswerte Verbesserung mehr versprechen. Diese Diagnose ist für Betroffene und Angehörige oft ein Schock, verbunden mit dem Gefühl, dass „nichts mehr getan werden kann“. Doch das ist ein tiefgreifendes Missverständnis. Genau hier beginnt die Domäne der palliativen Kardiologie, deren oberstes Ziel nicht mehr die Heilung, sondern der maximale Erhalt der Lebensqualität ist.

Palliative Versorgung bedeutet nicht, die Behandlung einzustellen. Im Gegenteil: Es ist eine hochaktive Form der Therapie, die sich auf die Linderung von quälenden Symptomen konzentriert. Das Herz-Team, oft ergänzt durch Palliativmediziner und Schmerztherapeuten, entwickelt eine Strategie, um Luftnot, Wassereinlagerungen (Ödeme), Schmerzen und Erschöpfung so effektiv wie möglich zu kontrollieren. Dies geschieht durch eine fein abgestimmte medikamentöse Therapie und nicht-medikamentöse Maßnahmen.

Wie die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie betont, geht es um ein aktives Management:

Palliative Kardiologie bedeutet nicht ’nichts mehr tun können‘, sondern aktives Management von Symptomen wie Luftnot und Wassereinlagerungen zur Verbesserung der Lebensqualität

– Deutsche Gesellschaft für Kardiologie, Positionspapier zur palliativen Versorgung bei Herzinsuffizienz

Ein zentraler Baustein in Deutschland ist die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV). Ein Team aus spezialisierten Ärzten und Pflegekräften betreut schwer herzkranke Menschen direkt in ihrem Zuhause. Wie das Bundesgesundheitsministerium erläutert, sorgt dieses System mit einer 24-Stunden-Rufbereitschaft dafür, dass Krisen schnell behandelt und Krankenhausaufenthalte oft vermieden werden können. Die Kosten werden von den Krankenkassen getragen. Ziel ist es, den Patienten zu ermöglichen, ihre verbleibende Lebenszeit in ihrer vertrauten Umgebung mit bestmöglicher Symptomkontrolle und Würde zu verbringen.

Auch in dieser schwierigen Phase bleibt das Team an Ihrer Seite, um die bestmögliche Lebensqualität zu sichern.

Die Entscheidung für einen palliativen Weg ist somit keine Kapitulation, sondern eine bewusste Neuausrichtung des Behandlungsziels: dem Leben nicht mehr Jahre, aber den verbleibenden Jahren mehr Leben zu geben.

Häufig gestellte Fragen zum Herz-Team Konzept

Habe ich einen gesetzlichen Anspruch auf eine Zweitmeinung?

Ja, bei bestimmten planbaren Eingriffen wie Herzkatheteruntersuchungen und Klappenoperationen haben Sie laut Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) einen Rechtsanspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung.

Wie organisiere ich eine Zweitmeinung?

Sie können über Ihre Krankenkasse, spezielle Zweitmeinungsportale oder durch direkte Kontaktaufnahme mit einem zertifizierten Herzzentrum eine Zweitmeinung einholen.

Was passiert, wenn die Zweitmeinung anders ausfällt?

Als Patient entscheiden Sie nach umfassender Aufklärung selbst, welcher Empfehlung Sie folgen möchten. Die Zweitmeinung dient als zusätzliche Entscheidungsgrundlage.

Geschrieben von Dr. Thomas Hartmann, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie mit über 20 Jahren Erfahrung in klinischer Diagnostik und interventioneller Therapie. Als Oberarzt an einem großen Herzzentrum ist er spezialisiert auf Herzinsuffizienz, Bluthochdruckmanagement und moderne bildgebende Verfahren.