
Ihr Herzinfarkt-Risiko ist mehr als nur eine Zahl. Der PROCAM-Score ist ein wichtiger Ausgangspunkt, doch die wahre Gefahr liegt oft in ‚unsichtbaren‘ Faktoren, die Standardrechner ignorieren.
- Genetische Risiken wie ein hohes Lipoprotein(a) können auch bei einem gesunden Lebensstil ein erhebliches Risiko darstellen.
- Insbesondere Frauen unterschätzen ihr Risiko häufig aufgrund atypischer Symptome und spezifischer hormoneller Einflüsse nach der Menopause.
Empfehlung: Eine präzise Risikobewertung kombiniert den Score immer mit modernen Laborwerten (z. B. Lp(a)) und bei Bedarf mit bildgebenden Verfahren für eine personalisierte Prävention.
Die Frage „Wie hoch ist mein persönliches Herzinfarkt-Risiko?“ beschäftigt viele Menschen in Deutschland, insbesondere ab dem 40. Lebensjahr. Oftmals konzentriert sich die Antwort auf bekannte Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht oder hohe Cholesterinwerte. Man nimmt an, wer gesund lebt, sei auf der sicheren Seite. Doch als Kardiologe in der präventiven Versorgung sehe ich täglich, dass diese Annahme trügerisch sein kann. Was, wenn ich Ihnen sage, dass ein schlanker Nichtraucher mit vorbildlichen Blutfettwerten manchmal ein höheres Risiko trägt als ein leicht übergewichtiger Mensch mit weniger idealen Gewohnheiten?
Die Antwort liegt tiefer als in den üblichen Checklisten. Wissenschaftlich validierte Instrumente wie der PROCAM-Score (Prospective Cardiovascular Münster Study) sind ein exzellenter erster Schritt, um eine statistische Wahrscheinlichkeit zu ermitteln. Sie bilden eine solide Basis für das ärztliche Gespräch. Doch die moderne Kardiologie geht heute einen entscheidenden Schritt weiter. Wir betrachten diese Scores nicht als finales Urteil, sondern als Ausgangspunkt für eine tiefere Analyse. Der Schlüssel zu einer wirklich personalisierten Risikobewertung liegt im Aufdecken sogenannter Risikomodulatoren – verborgener Faktoren, die das berechnete Risiko erheblich verändern können.
Dieser Artikel befähigt Sie, Ihr Risiko nicht nur zu berechnen, sondern es auch im richtigen Kontext zu verstehen. Wir werden den PROCAM-Score Schritt für Schritt durchgehen, aber vor allem beleuchten wir die Aspekte, die darüber hinausgehen: genetische Veranlagungen wie das Lipoprotein(a), geschlechtsspezifische Unterschiede, die oft zu Fehleinschätzungen führen, und die modernen diagnostischen Möglichkeiten, die eine echte Präzisionsprävention ermöglichen. Ziel ist es, Ihnen das Wissen an die Hand zu geben, um gemeinsam mit Ihrem Arzt eine fundierte und individuelle Strategie für Ihre Herzgesundheit zu entwickeln.
Inhaltsverzeichnis: Ihr Weg zur personalisierten Risikobewertung
- Warum haben schlanke Nichtraucher manchmal ein höheres Herzrisiko als Übergewichtige?
- Wie Sie mit dem PROCAM-Score Ihr 10-Jahres-Herzinfarktrisiko selbst berechnen
- Was bedeuten die Risikokategorien niedrig, mittel und hoch konkret für Ihre Therapie?
- Die unterschätzte Gefahr: Warum Frauen ihr Herzrisiko oft falsch einschätzen
- Hohes Risiko trotz gesunder Lebensweise: Welche zusätzlichen Maßnahmen senken es?
- Wie Sie Ihr vollständiges Herzrisikoprofil in 3 Schritten erstellen lassen
- Wie läuft eine genetische Beratung bei Verdacht auf erbliche Herzerkrankung ab?
- Schlaganfallrisiko senken: Die wirksamsten Präventionsstrategien ab 60
Warum haben schlanke Nichtraucher manchmal ein höheres Herzrisiko als Übergewichtige?
Das Paradoxon eines Herzinfarkts bei scheinbar gesunden Menschen lässt sich oft auf einen einzigen, aber entscheidenden Faktor zurückführen: die Genetik. Während Lebensstilfaktoren wie Ernährung und Bewegung das Risiko beeinflussen, gibt es fest verankerte genetische Veranlagungen, die unabhängig davon wirken. Der prominenteste dieser „unsichtbaren“ Faktoren ist das Lipoprotein(a), oft als Lp(a) abgekürzt. Man kann es sich als eine besonders „klebrige“ Form des LDL-Cholesterins vorstellen, das die Neigung zur Bildung von Ablagerungen (Plaques) in den Arterienwänden stark fördert und so die Arteriosklerose beschleunigt.
Das Tückische am Lp(a) ist, dass seine Konzentration im Blut fast ausschließlich genetisch bestimmt und durch Lebensstiländerungen kaum beeinflussbar ist. Eine Person kann sich also mustergültig ernähren, Sport treiben und Nichtraucher sein, aber dennoch aufgrund eines hohen Lp(a)-Spiegels ein massiv erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall haben. Studien zeigen, dass in Deutschland etwa 20 % der Bevölkerung von krankhaft hohen Lp(a)-Werten betroffen sind, viele davon ohne es zu wissen. Dieser Wert wird bei Standard-Vorsorgeuntersuchungen nicht routinemäßig gemessen.

Wie die Abbildung verdeutlicht, führen diese Ablagerungen zu einer Verengung und Versteifung der Gefäße. Dies erklärt, warum ein hoher PROCAM-Score manchmal nicht allein durch klassische Risikofaktoren zu erklären ist und warum eine umfassende Diagnostik so entscheidend ist. Die Messung des Lp(a)-Wertes ist ein einfacher Bluttest, der Klarheit schaffen kann, insbesondere bei familiärer Vorbelastung oder wenn das berechnete Risiko nicht zum klinischen Gesamtbild passt. Die genetische Veranlagung ist kein Schicksal, aber sie zu kennen, ist der erste Schritt zu einer gezielten Therapie.
Wie Sie mit dem PROCAM-Score Ihr 10-Jahres-Herzinfarktrisiko selbst berechnen
Der PROCAM-Score ist ein in Deutschland entwickeltes und gut validiertes Instrument, um das Risiko für einen Herzinfarkt innerhalb der nächsten zehn Jahre abzuschätzen. Er richtet sich primär an Männer im Alter von 20 bis 75 Jahren und postmenopausale Frauen. Die Berechnung basiert auf einer Kombination aus Laborwerten und persönlichen Gesundheitsdaten. Wichtig ist die Erkenntnis, dass postmenopausale Frauen etwa ein Viertel des Risikos eines gleichaltrigen Mannes aufweisen; ihr errechneter Punktwert wird daher am Ende durch vier geteilt. Diese Score-Kontextualisierung ist entscheidend für eine realistische Einschätzung.
Obwohl es Online-Rechner gibt, die die Berechnung vereinfachen, ist das Verständnis der zugrunde liegenden Parameter entscheidend für ein informiertes Gespräch mit Ihrem Arzt. Die Berechnung erfordert präzise Werte, die Sie in der Regel aus einer aktuellen Blutuntersuchung und Ihren Krankenunterlagen entnehmen können. Die folgende Checkliste führt Sie durch die notwendigen Schritte, um die Daten für eine valide Score-Ermittlung zusammenzustellen und zu bewerten. Sehen Sie dies als Vorbereitung für Ihren nächsten Arztbesuch.
Ihr Aktionsplan: PROCAM-Score-Daten vorbereiten
- Laborwerte anfordern: Stellen Sie sicher, dass Sie aktuelle Blutwerte für LDL-Cholesterin, HDL-Cholesterin, Triglyceride und den Nüchtern-Blutzucker vorliegen haben (nicht älter als 12 Monate).
- Anamnesedaten sammeln: Notieren Sie Ihren letzten gemessenen systolischen Blutdruck, Ihren Raucherstatus (ja/nein), Ihr Alter und ob ein Herzinfarkt bei einem Verwandten ersten Grades (Eltern, Geschwister) vor dem 60. Lebensjahr aufgetreten ist.
- Daten eingeben und abgleichen: Nutzen Sie einen vertrauenswürdigen Online-PROCAM-Rechner (z.B. von der Assmann-Stiftung für Prävention) und geben Sie Ihre gesammelten Werte präzise ein.
- Ergebnis bewerten: Notieren Sie das Ergebnis (Ihr 10-Jahres-Risiko in Prozent) und vergleichen Sie es mit den allgemeinen Risikokategorien: niedrig (20 %).
- Arztgespräch planen: Nehmen Sie das ausgedruckte oder notierte Ergebnis zu Ihrem nächsten Termin bei Ihrem Hausarzt oder Kardiologen mit. Dies ist die Grundlage, um das Ergebnis im Gesamtkontext zu besprechen und weitere Schritte festzulegen.
Dieser Prozess gibt Ihnen eine erste, fundierte Orientierung. Der errechnete Prozentwert ist jedoch keine absolute Wahrheit, sondern eine statistische Wahrscheinlichkeit. Er dient als wertvolles Instrument, um die Dringlichkeit weiterer präventiver Maßnahmen zu objektivieren und das Gespräch mit Ihrem Arzt auf eine faktenbasierte Ebene zu heben.
Was bedeuten die Risikokategorien niedrig, mittel und hoch konkret für Ihre Therapie?
Das Ergebnis des PROCAM-Scores – eine Prozentzahl – wird in drei Risikokategorien eingeteilt, die als Wegweiser für die weitere Vorgehensweise dienen. Diese Kategorisierung hilft dabei, die Intensität der präventiven Maßnahmen festzulegen, von einfachen Lebensstiländerungen bis hin zu einer medikamentösen Therapie. Die Entscheidung über die passende Strategie wird jedoch nie allein auf Basis des Scores getroffen, sondern immer im individuellen ärztlichen Gespräch.
Der folgende Überblick zeigt die allgemeinen Empfehlungen, die mit den jeweiligen Risikokategorien verbunden sind. Besonders die mittlere Risikogruppe erfordert eine differenzierte Betrachtung, da hier das Risiko oft unterschätzt wird. Die Daten basieren auf gängigen kardiologischen Leitlinien, wie sie beispielsweise von spezialisierten Präventionszentren angewendet werden.
| Risikokategorie | 10-Jahres-Risiko | Empfohlene Maßnahmen |
|---|---|---|
| Niedrig | <10% | Fokus auf Lebensstiloptimierung (Ernährung, Bewegung, Nichtrauchen). In der Regel keine medikamentöse Therapie erforderlich. Regelmäßige Check-ups beibehalten. |
| Mittel | 10-20% | Intensive Lebensstiländerung ist essenziell. Zur genaueren Abklärung wird oft eine zusätzliche Diagnostik wie ein Koronarkalk-Screening (CAC-Score) empfohlen, um über den Beginn einer medikamentösen Therapie (z. B. Cholesterinsenker) zu entscheiden. |
| Hoch | >20% | Eine medikamentöse Primärprophylaxe (z. B. mit Statinen zur Cholesterinsenkung und ggf. ASS zur Blutverdünnung) ist meist indiziert. Eine weiterführende kardiologische Abklärung ist dringend empfohlen. |
Gerade in der mittleren Risikogruppe liegt eine besondere Herausforderung. Viele Patienten fühlen sich nicht krank und nehmen ihr Risiko nicht ernst genug. Experten warnen jedoch genau vor dieser Fehleinschätzung.
In dieser Gruppe treten die meisten Herzinfarkte auf, weil meist das individuelle Risiko unterschätzt wird.
– Parcside Kardiologie, Parcside Clinic Herzvorsorge-Check
Diese Aussage unterstreicht, warum der Score allein nicht ausreicht. Bei einem mittleren Risiko wird Ihr Arzt wahrscheinlich zusätzliche Risikomodulatoren wie das Lp(a) oder Entzündungswerte (hs-CRP) bestimmen und möglicherweise bildgebende Verfahren einsetzen, um eine fundierte Therapieentscheidung für oder gegen Medikamente zu treffen.
Die unterschätzte Gefahr: Warum Frauen ihr Herzrisiko oft falsch einschätzen
Herz-Kreislauf-Erkrankungen gelten fälschlicherweise oft als reines Männerproblem. Diese Fehleinschätzung hat gefährliche Konsequenzen. Frauen sind zwar in jüngeren Jahren durch Hormone relativ gut geschützt, doch nach der Menopause gleicht sich ihr Risiko dem der Männer rapide an – und wird dann systematisch unterschätzt. Ein zentrales Problem ist die atypische Symptomatik: Während Männer oft den klassischen Brustschmerz mit Ausstrahlung in den linken Arm beschreiben, äußert sich ein Herzinfarkt bei Frauen häufig durch unspezifischere Anzeichen. Dazu gehören Übelkeit, Erbrechen, Kurzatmigkeit, Schmerzen im Oberbauch oder ein unerklärliches Schwächegefühl.
Diese Symptome werden oft als Magenverstimmung, Grippe oder Stress fehlinterpretiert – sowohl von den Betroffenen selbst als auch manchmal im ersten medizinischen Kontakt. Die Folge ist eine fatale Zeitverzögerung. Eine Auswertung der Deutschen Herzstiftung zeigt dies dramatisch: Bei Frauen über 65 Jahren vergehen im Schnitt über viereinhalb Stunden, bis sie nach Symptombeginn in eine Notaufnahme kommen, bei Männern sind es nur dreieinhalb. Jede Minute zählt, wenn es darum geht, Herzmuskelgewebe zu retten.

Eine weitere Besonderheit ist, dass Frauen häufiger an einer anderen Form der Herzerkrankung leiden, der sogenannten mikrovaskulären Dysfunktion, bei der nicht die großen Herzkranzgefäße, sondern die kleinsten Äderchen betroffen sind. Diese ist mit Standard-Diagnostik wie einem Herzkatheter schwerer zu erkennen. Daher ist es für Frauen und ihre Ärzte umso wichtiger, Risikoberechnungen wie den PROCAM-Score als Anlass zu nehmen, hellhörig zu werden und bei unklaren Beschwerden auch an das Herz zu denken. Die Sensibilisierung für die speziellen Risiken und Symptome bei Frauen ist ein entscheidender Baustein der Präzisionsprävention.
Hohes Risiko trotz gesunder Lebensweise: Welche zusätzlichen Maßnahmen senken es?
Die Konfrontation mit einem hohen Risikoscore trotz eines gesunden Lebensstils ist für viele Patienten frustrierend und beunruhigend. Dies ist jedoch der Punkt, an dem die moderne Präventionskardiologie ihre Stärken ausspielt. Wenn die klassischen Risikofaktoren optimiert sind, richtet sich der Fokus auf die bereits erwähnten genetischen Faktoren wie ein hohes Lipoprotein(a) und auf eine Verfeinerung der Diagnostik. Das Ziel ist, die tatsächliche, individuelle Gefäßbelastung sichtbar zu machen, anstatt sich nur auf statistische Wahrscheinlichkeiten zu verlassen.
Hier kommen moderne bildgebende Verfahren ins Spiel, die einen direkten Blick in die Herzkranzgefäße ermöglichen. Sie helfen, die Schlüsselfrage zu beantworten: Hat das statistische Risiko bereits zu realen, strukturellen Veränderungen an den Arterien geführt? Die wichtigsten Verfahren sind:
- Koronarkalk-Screening (CAC-Score): Eine Computertomographie (CT) mit niedriger Strahlenbelastung, die das Ausmaß der Verkalkung (Arteriosklerose) in den Herzkranzgefäßen exakt misst. Ein Wert von Null gilt als starkes Indiz für ein sehr niedriges Risiko, während hohe Werte auch bei gutem Lebensstil eine medikamentöse Therapie nahelegen.
- CT-Angiographie der Herzkranzgefäße: Bei unklaren Brustschmerzen oder einem hohen Risiko kann diese Untersuchung mit Kontrastmittel die Gefäße detailliert darstellen und Engstellen (Stenosen) sicher erkennen oder ausschließen.
- Intima-Media-Dicke-Messung: Ein einfacher Ultraschall der Halsschlagadern, der frühe Anzeichen von Gefäßwandveränderungen aufzeigen kann und als Surrogatmarker für das generelle Arterioskleroserisiko dient.
Wenn ein hohes Lp(a) als Hauptursache identifiziert wird, ist die Situation komplexer, da es noch keine zugelassene, gezielte Medikation gibt. Dennoch ist aggressives Management der anderen Risikofaktoren (insbesondere des LDL-Cholesterins) umso wichtiger. Neue Medikamente wie PCSK9-Hemmer, die primär zur starken LDL-Senkung eingesetzt werden, können als Nebeneffekt auch das Lp(a) um 20-30 % reduzieren. Dies zeigt, dass auch bei genetischer Belastung therapeutische Optionen zur Risikosenkung bestehen.
Wie Sie Ihr vollständiges Herzrisikoprofil in 3 Schritten erstellen lassen
Ein vollständiges Risikoprofil geht weit über den PROCAM-Score hinaus. Es integriert Laborwerte, Score-Ergebnisse und bei Bedarf bildgebende Verfahren zu einem Gesamtbild. Der Prozess in Deutschland ist durch die Trennung von Kassenleistungen und Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) geprägt. Hier ist eine klare Anleitung, wie Sie vorgehen, um eine umfassende Abklärung zu erhalten.
Schritt 1: Die Basisuntersuchung beim Hausarzt. Der erste Ansprechpartner ist Ihr Hausarzt. Im Rahmen des „Check-up 35“, der von den gesetzlichen Krankenkassen alle drei Jahre übernommen wird, werden bereits wichtige Parameter wie Gesamtcholesterin, Blutzucker und Blutdruck erfasst. Sprechen Sie hier gezielt Ihren Wunsch nach einer umfassenden Herzrisiko-Analyse an und bringen Sie Ihre Familiengeschichte zur Sprache.
Schritt 2: Gezielte Laboranalysen (Kasse vs. IGeL). Standard-Cholesterinwerte sind Kassenleistung. Spezifische Risikomodulatoren wie das Lipoprotein(a) oder der Entzündungsmarker hs-CRP sind es jedoch meist nicht. Die Bestimmung von Lp(a) wird von der Kasse nur bei bestehender Herzerkrankung übernommen, nicht zur reinen Vorsorge. Dies ist ein entscheidender Punkt, da Sie diese wichtigen Tests oft als IGeL selbst bezahlen müssen. Die Kosten sind jedoch überschaubar und die Investition in Ihre Gesundheit ist hochrelevant.
Die folgende Tabelle gibt Ihnen einen Überblick über gängige Untersuchungen und deren typische Kosten als Selbstzahler (IGeL), basierend auf Daten, wie sie von großen Labordienstleistern wie Synlab kommuniziert werden.
| Untersuchung | Kassenleistung | IGeL-Kosten (ca.) |
|---|---|---|
| Check-up 35 (alle 3 Jahre) | Ja | – |
| Standard-Cholesterinprofil | Ja | – |
| Lipoprotein(a) [Lp(a)] | Nur bei bestehender Indikation | 20-40 € |
| Hochsensitives CRP (hs-CRP) | Selten, bei spezif. Verdacht | 15-30 € |
| Koronarkalk-Score (CAC) | Nein | 100-150 € |
Schritt 3: Die kardiologische Synthese. Mit den Ergebnissen des Scores und der erweiterten Laborwerte erfolgt die Überweisung zum Kardiologen. Dieser wird die Befunde im Gesamtkontext bewerten und entscheiden, ob bildgebende Verfahren wie ein Koronarkalk-Score oder ein Herzultraschall notwendig sind. Hier entsteht das vollständige, personalisierte Risikoprofil und ein konkreter, individueller Therapie- und Präventionsplan.
Wie läuft eine genetische Beratung bei Verdacht auf erbliche Herzerkrankung ab?
Eine genetische Beratung ist dann sinnvoll, wenn eine familiäre Häufung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in jungem Alter vorliegt oder wenn spezifische Befunde wie ein stark erhöhtes Lp(a) auf eine starke genetische Disposition hindeuten. Ziel der Beratung ist es nicht, ein unabänderliches Schicksal zu verkünden, sondern Risiken zu identifizieren, Familienmitglieder aufzuklären und präventive Strategien so früh wie möglich einzuleiten.
Der Ablauf ist strukturiert: Zuerst erfolgt eine detaillierte Erhebung der Familiengeschichte über mehrere Generationen (Stammbaumanalyse). Der Arzt oder Humangenetiker fragt gezielt nach Erkrankungen, Todesursachen und dem Alter bei Erstdiagnose. Anschließend werden die eigenen medizinischen Befunde des Patienten eingeordnet. Wenn der Verdacht auf eine spezifische erbliche Erkrankung besteht (z.B. familiäre Hypercholesterinämie oder Kardiomyopathien), kann eine gezielte Genanalyse aus einer Blutprobe angeboten werden. Dies ist jedoch nicht immer der erste Schritt.
Gerade im Kontext des Lp(a) ist die Beratung von großer Bedeutung. Da der Spiegel fast rein genetisch festgelegt ist, hat ein einziger Test eine lebenslange Aussagekraft. Führende europäische Fachgesellschaften gehen sogar so weit, dass sie eine breite Anwendung empfehlen. Wie das Deutsche Ärzteblatt berichtet, empfehlen die Leitlinien der ESC/EAS von 2019, Lp(a) bei jeder Person einmal im Leben zu bestimmen, um dieses Risiko frühzeitig zu identifizieren.
Da Lp(a)-Spiegel fast vollständig genetisch determiniert sind, eignet sich Lp(a) unter entsprechender Beratung sehr gut für ein Familien-Screening.
– Deutsches Ärzteblatt, Kardiovaskuläre Prävention: Neues zum Lipoprotein(a)
Wird bei einer Person ein hoher Wert festgestellt, ist die Empfehlung klar: Auch bei Verwandten ersten Grades (Eltern, Geschwister, Kinder) sollte der Wert bestimmt werden. So können auch bei ihnen frühzeitig intensive Präventionsmaßnahmen eingeleitet werden, um die Auswirkungen der genetischen Last zu minimieren. Die genetische Beratung ist somit ein Instrument der Befähigung, das der ganzen Familie zugutekommen kann.
Das Wichtigste in Kürze
- Ihr Herzrisiko ist dynamisch: Der PROCAM-Score ist ein wertvoller Ausgangspunkt, aber keine endgültige Diagnose.
- Unsichtbare Risiken zählen: Genetische Faktoren wie ein hohes Lipoprotein(a) können das Risiko auch bei gesundem Lebensstil drastisch erhöhen.
- Prävention ist personalisiert: Die Kombination aus Score, erweiterten Laborwerten (IGeL) und bildgebenden Verfahren (z. B. Koronarkalk-Score) ermöglicht eine maßgeschneiderte Strategie.
Schlaganfallrisiko senken: Die wirksamsten Präventionsstrategien ab 60
Die Präventionsstrategien, die das Herzinfarktrisiko senken, sind in weiten Teilen identisch mit denen zur Reduktion des Schlaganfallrisikos. Beide Ereignisse haben oft dieselbe Ursache: die Arteriosklerose, also die Verkalkung und Verengung der Blutgefäße. Besonders ab 60 steigt das Risiko für beide Erkrankungen signifikant an. Die konsequente Kontrolle der bekannten Risikofaktoren ist daher der wirksamste Schutz.
Die wichtigsten Säulen der Prävention umfassen:
- Blutdruckmanagement: Bluthochdruck ist der Risikofaktor Nummer eins für Schlaganfälle. Eine konsequente Einstellung des Blutdrucks auf Werte unter 140/90 mmHg (bei guter Verträglichkeit auch niedriger) ist essenziell.
- Cholesterinkontrolle: Ein niedriges LDL-Cholesterin, erreicht durch Ernährung und bei Bedarf durch Medikamente wie Statine, reduziert die Plaquebildung in den hirnversorgenden Arterien.
- Vorhofflimmern erkennen und behandeln: Dieser unregelmäßige Herzschlag kann zur Bildung von Blutgerinnseln im Herzen führen, die ins Gehirn gespült werden und einen Schlaganfall auslösen können. Die Behandlung mit gerinnungshemmenden Medikamenten ist hier oft lebensrettend.
- Lebensstilfaktoren: Regelmäßige Bewegung, eine mediterrane Ernährung, der Verzicht auf das Rauchen und ein moderater Alkoholkonsum sind universelle Schutzmaßnahmen.
Die Dringlichkeit der Prävention wird deutlich, wenn man sich die Zahlen zum plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand in Deutschland vor Augen führt, der oft die Folge eines Herzinfarkts ist. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass im Jahr 2024 durchschnittlich 370 Menschen pro Tag außerhalb eines Krankenhauses einen solchen Notfall erlitten. Auch wenn dies nicht direkt ein Schlaganfall ist, zeigt es die immense und tägliche Bedrohung durch akute Herz-Kreislauf-Ereignisse.
Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Risikoprofil ist daher keine abstrakte Übung, sondern eine konkrete Maßnahme, um solchen Notfällen vorzubeugen. Ein umfassendes Verständnis Ihrer persönlichen Risikofaktoren für die Arteriosklerose ist der beste Schutz – nicht nur für Ihr Herz, sondern auch für Ihr Gehirn.
Der erste und wichtigste Schritt ist nun, aktiv zu werden. Warten Sie nicht auf Symptome. Sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt oder Kardiologen über eine umfassende Risikobewertung, die über den Standard-Check-up hinausgeht. Fragen Sie gezielt nach Risikomodulatoren wie dem Lipoprotein(a). Ihre Gesundheit ist Ihre wichtigste Ressource – schützen Sie sie durch informierte und proaktive Prävention.